Friedrich fordert vom Verfassungsgericht politische Zurückhaltung

Berlin (dpa) - Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat vom Bundesverfassungsgericht und dessen Präsidenten Andreas Voßkuhle in ungewöhnlich scharfer Form politische Zurückhaltung verlangt.

„Wenn Verfassungsrichter Politik machen wollen, mögen sie bitte für den Deutschen Bundestag kandidieren“, sagte er am Dienstag bei einem Verfassungsschutz-Symposium in Berlin, ohne Voßkuhle namentlich zu nennen. Spitzenvertreter des Unions-Koalitionspartners FDP nahmen den höchsten deutschen Richter genauso in Schutz wie Politiker von SPD, Grünen und Linksfraktion.

Nach dem Bombenanschlag von Boston und dem Fahndungserfolg der US-Behörden mit Hilfe von Videoüberwachung hatte neben Politikern der Opposition und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auch Verfassungsgerichtspräsident Voßkuhle vor überzogenen Reaktionen in Deutschland gewarnt. Zuvor hatte sich Friedrich für eine Ausweitung der Videoüberwachung stark gemacht - ohne Gesetze verändern zu wollen.

Friedrich sagte nun, jedem stehe es frei, bei der Bundestagswahl zu kandidieren. „Aber ansonsten wäre es freundlich, wenn sich auch die Herren Verfassungsrichter an die verfassungsmäßige Ordnung halten würden und sich nicht in die Tagespolitik einmischen würden.“ Deutschland und Europa seien durch den Terrorismus in Gefahr. Es habe keinen Sinn, diese Bedrohung zu verharmlosen oder kleinzureden.

Seine Forderung nach einer Verbesserung der Videoüberwachung sei nach Boston „nicht eine Überreaktion, sondern ein sachlicher Hinweis, eine logische Schlussfolgerung“ gewesen, sagte Friedrich. Voßkuhle hatte der „Welt am Sonntag“ gesagt: „Dass nach einem Ereignis wie in Boston sofort Forderungen formuliert werden, ist Teil des politischen Geschehens.“ Er ergänzte: „Bei der konkreten Umsetzung sollte dann aber wieder Besonnenheit einkehren.“

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte in Berlin: „Ich halte es durchaus für legitim, dass Herr Voßkuhle seine Meinung geäußert hat, die sich im Übrigen weitgehend mit meiner deckt.“ Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagte der Zeitung „Die Welt“ (Mittwoch): „Dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts sollte nicht abgesprochen werden, eine politische Meinung zu haben und sich besonnen und zurückhaltend zu äußern.“

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der „Welt“, wenn Friedrich die Karlsruher Urteile zur Videoüberwachung zur Kenntnis nehmen würde, „müsste der Präsident des Verfassungsgerichts auch nicht Besonnenheit anmahnen“. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, sagte der „Saarbrücker Zeitung“ (Mittwoch), Friedrichs Äußerungen seien „kein Ausweis von demokratischer Streitkultur“. Voßkuhle sei ein Richter, der sich auch mal ins politische Getümmel stürze. Dies sei sein Recht.

Der Linken-Politiker Jan Korte unterstützte den Präsidenten des höchsten deutschen Gerichts ebenfalls: „Mehr Voßkuhle und weniger Friedrich, das würde die Bundesrepublik als demokratischen Rechtsstaat weit voranbringen.“

Das Bundeskriminalamt (BKA) befürchtet vor der Bundestagswahl im September eine Zunahme extremistischer Gewalt - oft provoziert von Rechtsextremisten. „Wir rechnen für die kommenden Monate mit einer Zunahme der Konflikte zwischen den Randgruppen der unterschiedlichen politischen Lager“, sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke bei dem Symposium über „Wechselwirkungen in Extremismus und Terrorismus“. Provokationen wie durch die rechtsextreme Partei Pro NRW motivierten nicht mehr nur die linksextremistische Szene zu Gewalt, sondern auch Anhänger des radikal-islamistischen Salafismus.

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