Interview Fridays for Future - Warum demonstrieren, wenn Schule ist?

Moritz Bayerl (17) ist Gymnasiast aus Köln. Er demonstriert für das Klima, fast jeden Freitag – obwohl er eigentlich in der Schule sitzen müsste. Viele Politiker regt das auf. Bayerl findet es wichtig. Warum?

 Moritz Bayerl ist NRW-Schülervertreter.

Moritz Bayerl ist NRW-Schülervertreter.

Foto: Bayerl

Herr Bayerl, wie sah Ihre Demonstrationsrealität der vergangenen Wochen aus?

Moritz Bayerl: Bei uns am Gymnasium in Köln demonstriert hauptsächlich die Oberstufe, weil die am meisten von Politik mitbekommen und sich interessieren. Die Lehrer sprechen im Unterricht viel über das Thema, es ist aktuell. Unter- und Mittelstufe sind bei den Demos weniger vertreten. Und es fällt auf, dass der Unterschied von Schule zu Schule enorm ist. Gymnasien sind extrem viel vertreten, andere Schulformen weniger.

Wie dürfen wir uns diese Demonstrationen unter dem Motto „Fridays For Future“ vorstellen?

Bayerl: Es gibt fast wöchentlich Schülerstreiks. Und dann eben auch im großen Rahmen organisierte. Mitte März ist wieder einer geplant, dann wollen wir möglichst viele mobilisieren. Der bislang größte Schülerstreik fand am Freitag nach der Zeugnisausgabe statt. Weil da auch alle Schülerinnen und Schüler keinen Unterricht mehr hatten. Daran können Sie ganz gut erkennen, wie stark die Repressionen durch Bezirks- und Landesregierung inzwischen sind.

So protestieren Schüler und Schülerinnen gegen den Klimawandel
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So protestieren Schüler und Schülerinnen gegen den Klimawandel

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Foto: dpa/Volker Lannert

Inwiefern?

Bayerl: Wenn Schülerinnen und Schüler Angst haben, im Schulunterricht zu fehlen, um zu einem Streik zu gehen, welcher logischerweise eigentlich genau zur Schulzeit stattfinden muss, dann ist es bemerkenswert, dass sie nach der Schule demonstrieren. Das haben sie auch getan, um auf Äußerungen von Ministerpräsident Armin Laschet oder Bildungsministerin Yvonne Gebauer zu reagieren. Sie wollten zeigen, dass es falsch ist, dass wir nur kommen, weil wir dann schulfrei haben.

Kritiker finden, das sei ein durchaus gewichtiges Argument. Ist es das nicht?

Bayerl: Doch, schon auch. Aber aus einem ganz anderen Grund: Wenn ich nur außerhalb meiner Schulzeit streike und protestiere, ist es der Politik wahrscheinlich relativ egal. Ich streike ja auch nicht nach der Arbeit, wenn ich mehr Gehalt haben will. Wir machen das während der Schulzeit, wie bei einem richtigen Streik. Wir wollen ja etwas erreichen.

Geht es nicht eigentlich um eine Demonstration und weniger um einen Streik?

Bayerl: Streik ist bildlich gemeint. Wir haben ja eigentlich gar kein Streikrecht, was wir von der Landesschülervertretung durchaus bedauern. Es ist eine Protestbewegung, der man sich anschließen kann.

Was wollen Sie denn erreichen mit den Protesten?

Bayerl: Wir demonstrieren gegen den Klimawandel und die Politik der westlichen Staaten. Dagegen, dass eben nichts getan wird. Erst im Jahr 2038 aus der Braunkohle auszusteigen, ist zum Beispiel ein Witz. Alle Klimaziele sind nicht sonderlich hoch gesteckt und wären erreichbar, wenn es eine politische Kehrtwende gäbe. Gibt es aber nicht.

Welche Reaktionen erleben Sie an den Schulen?

Bayerl: Ganz unterschiedlich. An manchen Schulen sagen Lehrer, dass man gerne zu den Protestaktionen gehen kann, ohne dass dafür Fehlstunden aufgeschrieben werden. Das ist auch bei uns so. Aber auch gegenteilig: Wer zur Demo geht, bekommt eine Sechs, Fehlstunden oder möglicherweise einen Schulverweis, wenn er öfter fehlt. Das gibt es alles.

Sie lassen sich davon nicht verunsichern?

Bayerl: Viele nehmen die Fehlstunden gerne in Kauf. Es zeugt ja auch davon, dass man vor Ort war und protestiert hat. Teilweise gibt’s die Meinung: Wenn ich keine Fehlstunden bekomme, dann war es das nicht wert.

Viele Politiker erinnern an die Schulpflicht. Man könne auch nach der Schule demonstrieren, wenn es einem wichtig sei.

Bayerl: Was bringt mir bitte eine Schulpflicht, wenn ich irgendwann keine Welt mehr habe, in der es eine Schule geben könnte? Klimapolitik ist heutzutage so etwas Großes: Wenn man da die falschen Schritte geht, wird es in der vielleicht übernächsten Generation kein Leben mehr geben, wie wir es uns heute vorstellen. Dieser Schülerprotest ist die klügere Wahl – und ganz nebenbei eine hervorragende Möglichkeit für politische Bildung. Verpasse ich vier Stunden Deutsch oder Englisch? Oder verpasse ich die Gelegenheit, meine Welt zu retten?

Finden Sie Unterstützung für Ihre Herangehensweise?

Bayerl: Ja, klar. Ein Beispiel: Ein Elternvertreter hat uns gesagt, wenn er in fünf Jahren für seine Firma Arbeitskräfte sucht und die Bewerber kommen mit ihrem Abschlusszeugnis und 25 Fehlstunden, weil sie bei den Demos mitgemacht haben, dann würde er sie mit Kusshand nehmen. Es gibt aber auch negative Reaktionen, klar. Zum Beispiel von den Jungen Liberalen.

Was sagen Ihre Eltern?

Bayerl: Wenn man sich für etwas Politisches einsetzt, ist das immer gut. Und bei uns an der Schule wird es so gehandhabt, das man entschuldigt ist, wenn man bei den Protesten war.

Wie wird es weitergehen mit der Bewegung?

Bayerl: Sie wird größer. Sie ist jung, erst hier in Deutschland seit Januar aktiv. Jetzt werden basisdemokratische Strukturen geschaffen, es wird für ordentliche Redebeiträge gesorgt auf den Kundgebungen. Vielleicht eben auch für ein einheitliches, bundesweites Programm. Wir versuchen aktuell, einen Info-Flyer zu machen, der über rechtliche Fragen aufklärt und darüber, was die Bewegung „Fridays For Future“ eigentlich sein will.

Und die Drohungen der NRW-Landesregierung (siehe auch Kasten) halten Sie nicht auf?

Bayerl: Ich glaube nicht, dass eine solche Anzahl von friedlich Demonstrierenden geschlossen von der Polizei an die Schulen übergeben würde. Wir können nichts dagegen tun, wenn es zu Geldstrafen kommen würde. Wir können ja nicht selbst die Gesetze ändern.

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