AfD-Finanzaffäre Finanzskandal bei der AfD - „Hier tun sich Abgründe auf“

Berlin · Neben der Spende aus der Schweiz auch noch ein Großbetrag aus Belgien: Die Spendenaffäre um AfD-Frau Weidel weitet sich aus – und erinnert an andere unsaubere Finanzpraktiken der Partei.

In ihrem Wahlprogramm 2017 versprach die AfD noch, bei der Parteienfinanzierung aufzuräumen. Spitzenkandidatin damals: Alice Weidel, heute Fraktionsvorsitzende. Doch jetzt stellt sich heraus, dass Weidel nicht nur einmal, sondern mindestens zweimal dubiose Spenden in sechsstelliger Höhe erhalten hat und damit nicht korrekt umgegangen ist. Und das ist noch nicht alles. Eine Übersicht über das seltsame Finanzgebaren der AfD:

Die belgische Spende an Weidel. 150.000 Euro von einer „Stichting Identiteit“ (Stiftung Identität) aus Belgien gingen am 13.Februar bei Weidels Kreisverband am Bodensee ein. Nach drei Monaten überwies die AfD das Geld zurück. Weder Spenderidentität noch –motivation seien zweifelsfrei zu klären gewesen, teilte die Berliner AfD-Zentrale am Mittwochabend mit. Auffällig: Die Presseerklärung ging um 22.46 Uhr in den Redaktionen ein, ungewöhnlich spät. Grund war offensichtlich, dass Medien von dem Vorgang Wind bekommen hatten. Die AfD hätte die (legale) Spende unverzüglich dem Bundestag anzeigen müssen, weil sie über 50.000 Euro lag.

Die Schweizer Spende an Weidel. Sie war am Sonntag bekannt geworden. Eine kleine Schweizer Pharmafirma hatte seit Juli 2017 „treuhänderisch“ insgesamt 130.000 Euro an den AfD-Kreisverband Bodensee gespendet, ausdrücklich für Alice Weidels Wahlkampf. Der eigentliche Gönner blieb unbekannt. Die Überweisungen waren zur Umgehung der Anzeigepflicht in kleine Tranchen aufgeteilt. Erst im April 2018 gab die AfD das Geld zurück, angeblich, weil ihre Bedenken gekommen waren. Zwischendurch beglich Weidel damit Kosten für Anwälte und Internet-Aktivitäten. Woher die Mittel für die Rückzahlung stammten, ist unklar. Wegen dieser Spende ermittelt die Staatsanwaltschaft, denn Geld aus dem Nicht-EU-Ausland darf nicht angenommen werden. Der AfD könnte zudem von der Bundestagsverwaltung eine Buße in dreifacher Höhe drohen; das wären 390.000 Euro.

Die verdeckte Wahlkampffinanzierung. Ein in Stuttgart ansässiger „Verein zur Erhaltung der Rechtstaatlichkeit“ hat seit 2016 bei Landtagswahlen und bei der Bundestagswahl massiv für die AfD geworben. Unter anderem für AfD-Chef Jörg Meuthen. Dazu gehörten Druckschriften, Großplakate und Google-Anzeigen, die meist über eine Schweizer Agentur abgewickelt wurden. Die Organisation Lobbycontrol schätzt den Aufwand auf über zehn Millionen Euro. Woher das Geld kam, ist auch hier völlig unklar. Diese Aktivitäten sind legal, sie finden in einer rechtlichen Grauzone statt, die sich andere Parteien ebenfalls schon zunutze gemacht haben.

Die Gold-Verkäufe. Noch unter Parteigründer Bernd Lucke nutzte die AfD 2014 eine andere Gesetzeslücke. Weil die staatliche Parteienfinanzierung nicht nur jede legale Spende um einen bestimmten Betrag aus der Staatskasse aufstockt, sondern auch die Erträge aus wirtschaftlichen Aktivitäten, startete die Partei damals den Verkauf von Goldmünzen. Ohne große Gewinnmarge. Grund: Den getätigten Umsatz stockte der Staat um 38 Cent je Euro auf. Inzwischen ist das gesetzlich nicht mehr möglich.

Die Parteistiftung. Seit ihrem letzten Parteitag hat auch die AfD eine parteinahe Stiftung, die „Desiderius-Erasmus-Stiftung“, angeführt von Erika Steinbach, Ex-CDU-Abgeordnete. Alle Parteien haben so etwas. Allerdings hatte die AfD solche „verdeckte Parteienfinanzierung“ in ihrem Wahlprogramm noch besonders scharf kritisiert. In einem Antrag im Bundestag forderte sie im Sommer auf der einen Seite größere Transparenz bei der Vergabe der insgesamt rund 600 Millionen Euro, die die Stiftungen vom Staat erhalten. Gleichzeitig wollte sie aber die bisherige Wartezeit von acht Jahren für neue Parteien erheblich verkürzen, um schneller selbst davon profitieren zu können. Das lehnte die Mehrheit ab, sodass Steinbach noch warten muss.

Die Verwendung von Fraktionsgeldern. Die AfD-Bundestagsfraktion ließ vor kurzem ihre Finanzen von Wirtschaftsprüfern durchleuchten. Das Ergebnis war verheerend. Belege seien nicht ordnungsgemäß bearbeitet und genehmigt worden. Es fehle an Kontrollen. Und es sei „nicht auszuschließen", dass Fraktionsmittel für parteipolitische Zwecke verwendet worden seien. Wegen dieser Mängel beurlaubten Weidel und der Co-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland im Oktober zwei zuständige Mitarbeiter, einer davon der baden-württembergische Schatzmeister Frank Kral. Der sieht jetzt in der Spendenaffäre offenbar die Chance, es Weidel heimzuzahlen. „Hier tun sich Abgründe auf“. erklärte er am Mittwoch zu den Vorgängen im Bodensee-Kreis.

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