Experte: Volkes Stimme zu leise

Initiative „Mehr Demokratie“ rügt zu hohe Hürden für Beteiligung der Bürger in NRW.

Düsseldorf. „Die repräsentative Demokratie hat in den vergangenen Jahren an Rückhalt verloren, zugleich wächst die Kompetenz in der Bevölkerung“, befindet der Wuppertaler Bürgerbeteiligungsforscher Joachim Lietzmann. Seine Schlussfolgerung: Die Bürgerbeteiligung muss als Ergänzung neben den Parlamenten deutlich gestärkt werden, indem die Hürden für die Initiativen aus dem Volk gesenkt werden. Nach seiner Ansicht wirke sich das auch positiv auf die Politik aus: „In Ländern, die eine starke Bürgerbeteiligung haben, ist die Politik bei ihren Beschlüssen von Beginn an mehr an Kompromissen und Bürgernähe interessiert“, sagt Lietzmann.

NRW habe bereits einige Hürden auf dem Weg zu mehr direkter Demokratie abgebaut, doch seien einige noch zu hoch. „Das Unterschriftenquorum sollte von acht auf zwei bis drei Prozent gesenkt werden. Zudem sollten auch Volksbegehren zu finanziellen Fragen möglich sein“, sagt Alexander Trennhäuser, NRW-Geschäftsführer der Initiative „Mehr Demokratie“.

Diese hat die Gesetzeslage in 16 Bundesländern nach einem Kriterienkatalog unter die Lupe genommen und benotet. Vorn sind Bayern und die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin. Im Freistaat Sachsen sind zudem Abstimmungen über finanziellen Belange bereits seit dem Jahr 2002 erlaubt.

Dieser Themenausschluss von Finanzfragen, Abgaben und Besoldung beschert dem Land NRW entsprechend auch nur die Note 4. Sehr positiv mit einer 1- bewertet die Initiative hingegen, dass der Antrag auf ein Volksbegehren in NRW nur 3000 Unterschriften benötigt. Um erfolgreich zu sein, müssen bislang binnen Jahresfrist 1,1 Millionen Unterschriften zusammenkommen (3+). Nimmt man alle zwölf Kriterien auf Landes- und Kommunalebene zusammen, erhält NRW die Endnote 3,1. Für Trennheuser herrscht so noch Luft nach oben, vor allem bei Großprojekten wie Kraftwerksbauten oder einem Flughafenausbau wünscht er sich mehr Beteiligungsmöglichkeiten wie derzeit in Bayern.

Mit ihren Forderungen rennen Trennheuser und Lietzmann in NRW allerdings offene Türen ein: Vor kurzem hat der Landtag eine Reformkommission gebildet, die sich auch mit Volksbegehren befassen soll. Fast alle Parteien hatten die Senkung der Quoren in ihren Parteiprogrammen zur Landtagswahl 2012 und letztlich steht auch im rot-grünen Koalitionsvertrag, dass finanzwirksame Volksbegehren künftig zugelassen werden sollen. Wann die Kommission Ergebnisse vorlegen wird, ist zeitlich aber noch offen.

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