Nettozahler wehren sich EU-Haushalt soll wachsen - mit neuen Milliarden aus Berlin

Brüssel (dpa) - Der Gemeinschaftshaushalt der EU soll trotz des geplanten EU-Austritts Großbritanniens wachsen - unter anderem durch zusätzliche Milliardenbeiträge aus Deutschland.

Nettozahler wehren sich: EU-Haushalt soll wachsen - mit neuen Milliarden aus Berlin
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Die EU-Kommission schlug am Mittwoch vor, dass für den Zeitraum von 2021 bis Ende 2027 insgesamt Mittel in Höhe von 1279 Milliarden Euro eingeplant werden.

Nach Angaben von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger würde dies für Deutschland eine Mehrbelastung von elf bis zwölf Milliarden Euro bedeuten. Nettozahler wie Österreich kündigten bereits Widerstand an. In den kommenden Monaten dürfte es nun extrem harte Verhandlungen geben - auch weil es für Landwirte und strukturschwache Regionen künftig weniger EU-Geld geben soll.

Die Bundesregierung will Beitragserhöhungen unter bestimmten Voraussetzungen zustimmen. „Wir sind bereit, für eine Stärkung der Europäischen Union Verantwortung zu übernehmen - dazu gehört aber eine faire Lastenteilung aller Mitgliedstaaten“, hieß es am Mittwoch in einer gemeinsamen Mitteilung von Finanzminister Olaf Scholz und Außenminister Heiko Maas (beide SPD).

Scholz nannte eine Größenordnung von 10 Milliarden Euro pro Jahr, die man „ungefähr bewältigen“ könne. Der Vorschlag der Kommission sei nur ein erster Schritt. „Jetzt gilt es alles daran zu setzen, dass wir möglichst bald zu einem zufriedenstellenden Gesamtergebnis kommen.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordert Änderungen an den EU-Haushaltsplanungen. „Es reicht nicht nur, dass Deutschland mehr zahlt und weniger bekommt. Wir wollen über einen besseren Verteilungsschlüssel reden“, sagte er am Rande seiner Brüsselreise.

Der aktuelle Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 sieht ohne Inflationsanpassung nur 964 Milliarden Euro vor, mit dieser Anpassung sind es derzeit 1087 Milliarden Euro. Nach den jüngsten von der EU veröffentlichten Daten gab Deutschland 2016 rund 23,2 Milliarden Euro in den Gemeinschaftshaushalt, abzüglich der Rückflüsse waren es netto rund 13 Milliarden Euro.

Oettinger hatte monatelang an dem sogenannten mittelfristigen Finanzrahmen gefeilt - einem komplexen Zahlenwerk, das gleichzeitig die politischen Schwerpunkte für das nächste Jahrzehnt setzen soll. Doppeltes Problem dabei: Weil der große Nettozahler Großbritannien die EU 2019 verlässt, fehlen über zwölf Milliarden Euro pro Jahr. Gleichzeitig soll für Grenzschutz, Migrationspolitik oder Forschung mehr Geld ausgegeben werden. So soll zum Beispiel die Zahl der Stellen bei der Grenzschutzagentur Frontex im Planungszeitraum von 1200 auf 10.000 steigen, um die EU besser vor illegaler Migration abzuschirmen.

Um die Beitragserhöhungen in einem verträglichen Ausmaß zu halten, will Oettinger gleichzeitig bei Agrar- und Strukturhilfen kürzen. So sollen zum Beispiel Direktzahlungen an Landwirte um vier Prozent verringert werden. Darüber hinaus schlägt Oettinger neue Einnahmequellen vor, darunter eine Plastikmüllsteuer, die Milliarden in die EU-Kassen spülen könnte.

Indirekt dürfte jeder Bürger in der EU die Folgen der Haushaltsplanung zu spüren bekommen - sowohl über zusätzlichen Nutzen wie mehr Sicherheit als auch über mögliche neue Kosten. Das geht so weit, dass letztlich zum Beispiel die Lebensmittelpreise steigen könnten, weil europäische Bauern weniger Geld aus Brüssel bekommen.

Ob die vorgeschlagenen Kürzungen des Agrarbudgets wirklich kommen, ist allerdings noch unklar. Das französische Landwirtschaftsministerium wies diesen Vorschlag bereits am Mittwoch als nicht zustimmungsfähig zurück. Eine solche „drastische, massive und blinde“ Reduzierung sei „einfach undenkbar“, hieß es. Frankreich könne keinerlei Senkung der Direktzahlungen an Landwirte akzeptieren.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sagte hingegen, nach anfangs zu befürchtenden Einschnitten von bis zu 30 Prozent sei der Vorschlag maßvoll. „Aber es schmerzt.“

Oettinger nannte seinen Vorschlag einen Kompromiss zwischen den Wünschen des Europaparlaments nach Ausgabensteigerungen und dem Willen der Beitragszahler, möglichst nicht mehr an Brüssel zu überweisen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte: „Wir haben ein Europa gewählt, das stabiler, wohlhabender, sozialer und stärker in der Welt ist.“ Jeder auf europäischer Ebene ausgegebene Euro sei so geplant, dass er echten Mehrwert bringe.

Kritik an Oettingers Plänen kommt unter anderem aus Österreich. Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Vorschlag sei weit davon entfernt, akzeptabel zu sein. „Unser Ziel muss sein, dass die EU nach dem Brexit schlanker, sparsamer und effizienter wird“, sagte er. Diesem Ansatz trage die Kommission nicht ausreichend Rechnung.

Der niederländische Außenminister Stef Blok forderte in der Zeitung „Het Financieele Dagblad“ strikte Ausgabendisziplin und eine Beibehaltung des Beitragsrabatts für sein Land, falls keine andere Lösung gefunden werde.

Der polnische EU-Minister Konrad Szymański erklärte, der Weg zu einem Kompromiss werde lang. Die EU-Kommission schlägt in ihrem Haushaltsplan auch vor, EU-Mittel an die Einhaltung von Rechtsstaatsprinzipien zu koppeln, was Polen treffen könnte. Szymański hielt sich mit Kritik daran aber zurück. Die Vorschläge seien zumindest nicht konfrontativ, sagte er.

Aus dem Europaparlament kam ein überwiegend positives Echo. „Ich glaube, dass die heutigen Vorschläge in die richtige Richtung gehen“, sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Udo Bullmann, bedauerte, dass die Ausgaben nicht noch mehr erhöht werden sollten.

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