Ein Polit-Dino schmeißt die Brocken hin

Die Liebe der Berliner zu „Wowi“ ist nach 13 Jahren erheblich abgekühlt. Hinzu kommt die Schlammschlacht um den Flughafen.

Ein Polit-Dino schmeißt die Brocken hin
Foto: dpa

Berlin. Am Tag, als nach dem WM-Sieg die Fußballnationalmannschaft auf der Berliner Fanmeile erwartet wurde, konnte man einen sichtlich entspannten Klaus Wowereit erleben. Ein Foto hier, eine Umarmung mit den Fans dort. Damals im Juli streuten die Mitarbeiter des Regierenden Bürgermeisters, Wowereit habe sich gefangen, er genieße wieder das Bad in der Menge. Wahr ist aber auch: Da war die Entscheidung in ihm schon gereift. Klaus Wowereit geht, nach 13 Jahren im Amt schmeißt der Polit-Dino die Brocken hin.

Um 13.06 Uhr verkündete der SPD-Mann am Dienstag seinen Entschluss. Schnodderig wie immer, sogar zu Späßen aufgelegt. Viel sei in letzter Zeit über seine politische Zukunft spekuliert, „aber auch schwadroniert“ worden, so Wowereit. Diese Diskussion sei auch aus den Reihen der eigenen Partei mitbefördert worden und habe Schaden für eine „effektive Regierungsarbeit“ verursacht. Deshalb habe er dem Senat mitgeteilt, „dass ich mein Amt zum 11. Dezember zur Verfügung stelle“. Ein Paukenschlag.

Es klang ganz so, als wollte sich da einer das Heft nicht ganz aus der Hand nehmen und vom Hof jagen lassen. Eigentlich wollte der Lebemann erst 2015 seine Entscheidung über seine politische Zukunft bekanntgeben. Doch die Nachfolge-Debatte hielt die Stadt und die SPD seit Monaten in Atem. Intrigen, Indiskretionen, Machtkämpfe, die Genossen, die seit 25 Jahren an der Spree mal als Juniorpartner, mal als führende Kraft regieren, boten ein schlimmes Bild.

Auch im Umgang mit Wowereit. Das ging nicht spurlos an ihm vorbei. „Ich habe mir erlaubt, auch mal an mich zu denken“, betonte er am Dienstag. Am Ende seiner Erklärung musste der Ur-Berliner sogar mit den Tränen kämpfen, als er sagte: „Ich liebe diese Stadt, so wie sie ist.“ Das beschreibt indirekt das größte Problem des 60-Jährigen: Berlin hat ihn nicht mehr gemocht.

Nach seinem Amtsantritt 2001 hieß Klaus Wowereit „Regierender Partymeister“ — keine Feier ohne „Wowi“. Den Negativ-Titel konnte er in den letzten Jahren mühsam abstreifen. Aber inzwischen hängt ihm ein anderer, ebenso wenig schmeichelhafter Ruf nach: „Sonnenkönig“, spotteten seine Gegner, und Parteifreunde stimmten dem heimlich zu. Es hieß, er habe das Gefühl für die Stadt verloren, sei abgehoben und zu desinteressiert an den politischen Themen der Hauptstadt. Vor allem das Debakel um den nicht fertigen Großflughafen Berlin-Brandenburg hat an ihm, an seinen Nerven und an seinem Ruf gezerrt.

Das Desaster im Märkischen Sand hängt an Wowereit wie ein Mühlstein. Es sei eine der „größten Niederlagen“, räumte er bei seinem Rücktritt ein. Er bedauere dies „unendlich“. Aber es sei halt immer einfacher, „wenn man Erfolg hat, dann sind sie alle da“. Verbitterung war da rauszuhören, auch darüber, dass seine Arbeit zuletzt nur noch auf das Flughafen-Chaos reduziert wurde. Dem Mann, der sich selbst auch mal als SPD-Kanzlerkandidaten gesehen haben soll, wollte allerdings auch kaum mehr etwas gelingen.

Seine persönlichen Umfragewerte und die der SPD rutschten in den Keller. Schon Ende 2010 soll Wowereit zudem nicht mehr richtig Lust gehabt haben, Bürgermeister von Berlin zu sein. Es gab aber kein lukratives Jobangebot aus der Wirtschaft. Nun geht er, der dienstälteste Ministerpräsident und einer der bekanntesten Sozialdemokraten.

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