Druck auf Schavan wächst - Warten auf Gespräch mit Merkel

Berlin (dpa) - Gespannte Erwartung: Das politische Schicksal von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) entscheidet sich voraussichtlich am Wochenende. Die Regierung nannte zwar offiziell keinen konkreten Gesprächstermin der Ministerin mit Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel.

Doch nach der Ankündigung, mit Schavan werde nach ihrer Rückkehr von einer Südafrika-Dienstreise in Ruhe über ihre Zukunft gesprochen, richteten sich alle Augen auf Samstag und Sonntag.

Deutliche Kritik an Schavan kam aus der Wissenschaft. Der Rücktritt der Ministerin wäre „möglicherweise doch die richtige Konsequenz“, sagte am Donnerstag der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Prof. Bernhard Kempen. Er erklärte im ZDF-„Heute Journal“, für ihn sei es nur schwer vorstellbar, dass die Ministerin ihr Amt weiter effektiv ausüben könne. Die Universität Düsseldorf hatte ihr den vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel wegen vorsätzlicher Täuschung entzogen. Zugleich verteidigten einzelne Professoren Schavan.

Schavan wird am Freitagabend in Berlin zurückerwartet. Wann Merkel vom EU-Gipfel aus Brüssel zurückkehrt, richtet sich nach dem Verlauf der dortigen Verhandlungen über den umstrittenen EU-Haushalt. Dass es noch am Freitagabend zu einer offiziellen Verkündung eines Gesprächsergebnisses kommt, gilt als unwahrscheinlich. Eine Lösung am Wochenende wurde in Parteikreisen aber für möglich gehalten und ein Rücktritt nicht ausgeschlossen.

Schavan will gegen die Entscheidung der Universität klagen. Der Anwalt für Hochschulrecht, Christian Birnbaum, sagte im ZDF, er könne sich an keinen einzigen Fall erinnern, in dem jemand einen aberkannten Doktortitel durch ein Gerichtsverfahren wiederbekommen habe. Der Bonner Parteienforscher Gerd Langguth sagte den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“, Schavans beschädigte Glaubwürdigkeit sei ein großes Problem, auch für Merkel.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, forderte Schavans Rücktritt. Unter den 11,5 Millionen Schülern und 2,5 Millionen Studenten in Deutschland sei bekannt, dass Schummelei geahndet werde, sagte er handelsblatt.com. Schavan täte dem Bildungswesen mit einem Amtsverzicht einen Gefallen.

Unterstützung bekam die Ministerin vom Präsidenten der Berliner Humboldt-Uni, Jan-Hendrik Olbertz, der Schavan derzeit auf ihrer Reise begleitet. Olbertz sagte dem „Focus“: „Vom Verfahren her ist die Entscheidung der Uni Düsseldorf anzuzweifeln. Die Bewertung der fraglichen Textpassagen hatte nicht die nötige Tiefe.“ Der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, betonte: „Eine Ministerin muss man nach ihrer Kompetenz und Leistung beurteilen. In dieser Hinsicht gibt es keinen Grund zum Rücktritt.“

Der Philologenverband forderte bundesweite Standards für Examen und Promotionen an Universitäten. An den Unis begutachteten die Akkreditierungsagenturen nur die Qualität der Studiengänge, nicht aber die der Abschlüsse, hieß es. Es müsse verhindert werden, dass politische Einflussnahme, diffuse Bewertungsmaßstäbe und Verfahrensfehler die Objektivität der Überprüfung gefährdeten. In jedem Einzelfall gehe es auch um das mögliche Versagen der für Examen und Promotionen zuständigen Gremien.

Die Universität Lübeck hält an ihrer der Ministerin vor einem Jahr zuerkannten, aber noch nicht verliehenen Ehrendoktorwürde fest. Die Auszeichnung werde in Anerkennung besonderer Verdienste um die Wissenschaft verliehen, teilte die Hochschule mit. Schavan hatte für den Erhalt der Medizinerausbildung in Lübeck eingesetzt.

Dagegen bringt die Aberkennung von Schavans Doktortitel die Freie Universität Berlin (FU) in Erklärungsnot. Der Akademische Senat der FU hatte Schavan im Oktober 2008 zur Honorarprofessorin im Fach Katholische Theologie berufen und diese Ehre mit ihren theologischen Arbeiten begründet. Damals ordnete die Uni auch die Promotionsarbeit Schavans ein und bezeichnete diese als „Grundlage für die Leitlinien ihres theologischen Denkens“.

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