Dokumentarfilm: Wie „Eduard“ Rumäniendeutsche einschleuste

Der Neusser Rechtsanwalt Heinz-Günther Hüsch verhandelte von 1967 bis 1989 mit Diktator Nicolae Ceausescu.

Dokumentarfilm: Wie „Eduard“ Rumäniendeutsche einschleuste
Foto: nn

Berlin/Neuss. „Natürlich wussten wir, dass das Geld das System stabilisiert“, sagte Heinz-Günther Hüsch am Mittwochabend in Berlin. „Aber es war eine große humanitäre Aktion, und es war richtig, so zu handeln.“ Rund 230 000 Rumäniendeutsche hat der heute 84 Jahre alte Neusser Rechtsanwalt zwischen 1967 und 1989 vom damaligen Diktator Nicolae Ceausescu freigekauft — für über eine Milliarde Mark (rund 500 Million Euro). Hüsch trat anlässlich der Präsentation des MDR-Dokumentarfilmes „Deutsche gegen Devisen — ein Geschäft im Kalten Krieg“ erstmals öffentlich vor einem größeren Publikum auf.

Heinz-Günther Hüsch in seiner Kanzlei.

Heinz-Günther Hüsch in seiner Kanzlei.

Foto: Engers, Uli (eng)

Sein damaliger Auftrag, erteilt vom Innenministerium, trug den Decknamen „Geheimsache Kanal“. Nur der jeweilige Innenminister sowie der Kanzler wussten Bescheid. Selbst in der eigenen Kanzlei weihte Hüsch nur wenige ein. Seine Schwester tippte die Verhandlungsprotokolle und Verträge, sein Sohn begleitete ihn als Leibwächter.

Das Geld für den Freikauf wurde von Hüsch in einem Koffer in bar übergeben. Immer ohne Quittung. „Sechs Millionen Mark passten rein, wenn man etwas quetschte“, schilderte Hüsch. Rund 220 Mal traf er in all den Jahren seine rumänischen Verhandlungspartner, die vom berüchtigten Geheimdienst „Securitate“ kamen. Der kaufte für rund 20 Prozent der Einnahmen westliche Abhörtechnik, um die eigenen Leute noch weiter drangsalieren zu können. Auch Hüsch wurde ausgeforscht. In den Geheimdienstakten wurde er als „Eduard“ geführt. Der Rest des Geldes wanderte wohl auf ein Konto in der Schweiz, über das Ceausescu verfügen konnte.

Das rumänische Regime ging äußerst menschenverachtend vor. Es sortierte die Ausreisenden in Kategorien ein und verlangte mehr Geld pro Kopf, je höher der Bildungsgrad war. Wurden 1968 im Schnitt 1500 Mark pro Person gezahlt, waren es in den 80er Jahren über 8000 Mark. Außerdem zeigte sich Deutschland mit Krediten und Sachleistungen, etwa medizinischem Gerät, erkenntlich, so dass die Gesamtsumme der Leistungen an Rumänien laut Hüsch zwischen einer und drei Milliarden Mark lag. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum kaufte die Bundesrepublik 34 000 Häftlinge aus der DDR frei, für 3,5 Milliarden Mark.

Die von Hüsch jährlich ausgehandelten Verträge legten fest, wie viele Rumäniendeutsche pro Jahr ausreisen durften, aber nicht welche. Das missbrauchte das Regime, um die Menschen zusätzlich zu drangsalieren. Ein Versuch Ceausescus, den Ausreisenden eine Zwangsabgabe als Ausgleich für die in Rumänien verursachten Ausbildungskosten abzupressen, konnte die deutsche Seite abwenden. Nicht aber ein Schmiergeldsystem.

Wer auf die Listen wollte, musste an Securitate-Leute zahlen. Wer kein Westgeld hatte, musste sich verschulden. Hüsch berichtete von einem Fall, in dem eine Betroffene außer einem Nerzmantel diverse Schmuckstücke abliefern musste. Auch „sexuelle Dienstleistungen“ seien als Gegenleistung verlangt worden.

In Siebenbürgen, berichtete der Schriftsteller Helmuth Frauendorfer, wusste jeder, wie man an eine Ausreise kam. „Ich sah die Menschen manchmal mit ihren Stoffbeuteln mit Geld vor dem Haus der Securitate stehen“, schilderte er. Viele hätten sich geschämt, dass sie sich auf diese Weise vordrängten. „Aber was blieb ihnen übrig?“

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