Doha-Kompromiss hält Erderwärmung nicht auf

Doha (dpa) - Die Weltgemeinschaft kann sich trotz einer rasanten Erderwärmung nicht zu stärkeren Anstrengungen für mehr Klimaschutz aufraffen.

Beim UN-Klimagipfel in Doha beschlossen die knapp 200 Staaten nach zweiwöchigen Verhandlungen zwar, das Ende des Jahres auslaufende Kyoto-Protokoll bis 2020 zu verlängern. Allerdings legten sie keine schärferen Vorgaben für die Reduzierung von CO2-Emissionen fest. Zudem machen nur noch die 27 EU-Staaten und 10 weitere Länder bei der Verlängerung des bisher einzigen bindenden Abkommens zur Minderung von Treibhausgasausstößen mit.

Umweltschützer und führende Klimaforscher kritisierten den Minimalkompromiss und warnten vor zu hohen Temperaturanstiegen. In einem bisher einmaligen Akt bei einem UN-Klimagipfel setzte Katar das Kompromisspaket im Hau-Ruck-Verfahren durch. Nach zähem Ringen entschied Konferenzpräsident Abdullah bin Hamad Al-Attiyah quasi im Alleingang, dass das Kyoto-Protokoll verlängert werden soll.

Zudem winkte er vage Finanzzusagen für vom Klimawandel stark betroffene Staaten und einen Arbeitsplan für den ab 2020 geplanten Weltklimavertrag durch. So konnte ein Scheitern vermieden werden. Was die anderen knapp 160 Staaten, die sich nicht wie die Kyoto-II-Staaten zur Minderung der CO2-Emissionen verpflichten, in den nächsten Jahren tun, bleibt weitgehend unklar.

Al-Attiyah betonte trotz aller Differenzen zum Abschluss: „Wir sind eine große Familie geworden“. Die meisten Teilnehmerstaaten bedachten das Votum mit großem Beifall - viele wollten die Minimalkompromisse retten. So bleibt auch offen, wie bis 2020 rund 100 Milliarden Dollar pro Jahr für Länder zustande kommen sollen, die der Klimawandel besonders trifft. Entwicklungsländer warfen den Industriestaaten Versagen vor. Besonders die USA wollten bei der Klimakonferenz keine festen Zusagen für mehr Geld machen.

Russland zeigte sich schwer verärgert über den Alleingang Katars. Normalerweise müssen alle Entscheidungen am Ende einer Aussprache einstimmig abgesegnet werden. Russland hatte sich gegen zu starke Auflagen beim Handel mit Emissionsgutscheinen gewehrt. Al-Attiyah ließ aber erst den Hammer fallen und eröffnete dann die Aussprache. Es gebe keinen Text, der alle zufriedenstelle, hatte er betont.

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) betonte: „Das Ergebnis kann man als wichtigen Meilenstein im Hinblick auf einen wirksamen Klimaschutz weltweit betrachten“. Zwar gebe es beim Kyoto-Protokoll vorerst keine stärkere Reduzierung von CO2-Emissionen - aber darüber solle ab kommendem Jahr gesprochen werden. Altmaier will 30 Prozent weniger CO2-Ausstoß in der EU bis 2020 (im Vergleich zu 1990). Bisher gilt ein 20-Prozent-Ziel, das die EU quasi jetzt schon erreicht hat. EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard nannte das Paket einen „bescheidenen aber essenziellen Schritt vorwärts“.

Das Ergebnis steht nach Ansicht des Leiters des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, in keinem Verhältnis zum Ernst der Lage. „Aber es gibt noch eine große letzte Chance bis 2015“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur mit Blick darauf, dass bis dann das Gerüst für den Weltklimavertrag stehen soll. Die Erderwärmung verglich er mit einem kranken Menschen. „Wenn Sie lange Zeit zwei Grad über der Normaltemperatur liegen, haben Sie ernsthaft Fieber.“ Aber bei vier bis fünf Grad könne man sterben.

Schellnhuber lobte an dem Paket, dass es erstmals eine Art Schadenshaftung der Industriestaaten anspreche. „Jetzt ist der Geist aus der Flasche“, sagte er. Nach dem Verursacherprinzip könnte einmal eine wirtschaftliche Gesamtrechnung aufgestellt werden - damit könnten Entwicklungsländer Industriestaaten zur Kasse bitten.

Umweltverbände kritisierten den Minimalkonsens scharf. „Die wachsweichen Beschlüsse leisten keinen Beitrag, um den globalen Temperaturanstieg zu bremsen“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. WWF-Vorstand Eberhard Brandes kritisierte, es gebe zwar ein Paket für den Klimaschutzprozess, dies sei aber fast leer.

Die Kyoto-II-Staaten stoßen zusammen nur etwa 15 Prozent der globalen Emissionen aus. Wichtige Staaten wie Russland, Kanada und Japan haben keine bindenden Verpflichtungen mehr übernommen. Dennoch gilt die Fortsetzung als wichtiges Signal, damit andere Staaten sich tatsächlich später in einen Weltklimavertrag einbinden lassen.

Besonders umstritten war der Umgang mit der sogenannten heißen Luft. Da Staaten wie Russland im Zuge des Zusammenbruchs des Ostblocks weit weniger CO2 ausgestoßen haben als bei Kyoto I vereinbart, sitzen sie auf großen Mengen CO2-Gutscheinen. Diese würden sie gerne handeln. Erst Polen, dann Russland und die Ukraine blockierten zunächst die Verlängerung des Kyoto-Protokolls, weil sie sich gegen Restriktionen dabei wehrten. Die meisten Kyoto-II-Staaten haben einen Verzicht auf einen Kauf von CO2-Gutscheinen erklärt. Aber nach 2020 könnten sich Staaten wie die USA und China so von Minderungspflichten freikaufen.

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