Gemeinsames Terrorabwehrzentrum Die Terrorabwehr soll neu organisiert werden

Kritik an der Arbeit des GTAZ im Bundestag — am Donnerstag ist der Fall Amri wieder Thema im NRW-Innenausschuss.

Gemeinsames Terrorabwehrzentrum: Die Terrorabwehr soll neu organisiert werden
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Berlin/Düsseldorf. Bundespolitiker aller Parteien wollen als Konsequenz aus dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt die Verantwortlichkeiten in der Terrorabwehr neu organisieren. Kritik gab es während einer Sitzung des Innenausschusses in Berlin am Mittwoch vor allem an der Arbeitsweise des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums (GTAZ), in dem die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern Informationen austauschen.

Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic bemängelte, im GTAZ herrsche „eine Art organisierte Verantwortungslosigkeit“. Armin Schuster (CDU) sagte, es reiche nicht aus, dass sich die Behörden im GTAZ zwar über potenzielle Terroristen austauschten, die Zuständigkeit für die einzelnen Fälle dann aber bei den Ländern verbleibe.

Dem schloss sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag an: Zwar gebe es eine Definition von Gefährdern und bundesweite Leitlinien zum Umgang mit ihnen. „Aber die Bewertung von Gefährdern und die taktischen Maßnahmen nimmt immer noch jedes Bundesland sehr für sich alleine vor“, bemängelte er. „Wir brauchen eine bundesweit standardisierte Gefährderbewertung.“

Zudem erläuterte er, das GTAZ nehme als Reaktion auf den Berliner Anschlag derzeit noch einmal in mehreren Sondersitzungen „jeden ihr bekannten Gefährder unter die Lupe“, so de Maizière. Die Expertenrunde prüfe nochmals, „ob Abschiebungen oder ähnliche Maßnahmen erforderlich sind“. Er habe außerdem das Bundeskriminalamt (BKA) beauftragt, die Risikobewertung von Gefährdern und Gewaltstraftätern zu verbessern und auch die Pläne zur Vereinheitlichung der Gefährderbewertung voranzutreiben.

Kritik gab es aus der Bundespolitik auch noch einmal an Versäumnissen in Berlin und NRW. Der Tunesier sei abgesehen von seinen Kontakten zu radikalen Islamisten auch ein „Schwerverbrecher“ gewesen, sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU). Es hätte sich daher die Möglichkeit geboten, Untersuchungshaft für ihn anzuordnen.

Das sieht die Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag ebenso und will im heutigen Innenausschuss in Düsseldorf weitere Antworten von Innenminister Ralf Jäger (SPD). Etwa auf die Frage, wie intensiv eine Abschiedeanordnung im Fall Amri geprüft wurde. Im Bericht des Ministeriums heißt es, diese sei im GTAZ diskutiert, aber mangels eines Nachweises seiner Gefährlichkeit verworfen worden. Auch der Unterbindungsgewahrsam als Weg, einen Gefährder präventiv hinter Gitter zu bringen, habe nicht zur Disposition gestanden: Laut einem Urteil des Oberlandesgerichts in Hamm reiche dafür nicht einmal eine gesicherte Erkenntnis einer Anschlagsgefahr von einer islamistischen Gruppe aus. Man habe aber stets weiter auch in NRW Erkenntnisse über Amri gespeichert — zuletzt sei dessen Handy vom hiesigen Verfassungsschutz Ende Oktober geortet worden, und zwar in Berlin/Brandenburg. Zudem widerspricht der Bericht Behauptungen, Amri sei im August auf Weisung des NRW-Innenministeriums aus der Abschiebehaft in Süddeutschland entlassen worden: Man habe auf Anfrage lediglich mitgeteilt, dass man die Beschaffung der Passersatzpapiere nicht so weit beschleunigen könne, dass ein Verbleib des Tunesiers in Haft gerechtfertigt sei.

Diese Darstellung ärgert Joachim Stamp, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion: „Der eigentliche Skandal liegt darin, dass Innenminister Jäger nicht einmal den Versuch unternommen hat, Amri in Abschiebehaft zu nehmen, aber öffentlich betont, man sei bis an die Grenze des Rechtsstaats gegangen. Wer nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, ist als Innenminister nicht länger tragbar.“

Die CDU reibt sich vor allem an einer Tabelle, die dem Bericht anhängt und derzufolge Amri keineswegs sicher ab Somer in Berlin war. Vielmehr war sein Aufenthaltsort demnach in weiten Teilen unbekannt — zuvor war er bis zum späten Frühjahr viel in NRW. „Für seine Beobachtung und dringliche Abschiebung war niemand anders verantwortlich als Herr Jäger“, stellt deshalb CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach klar. „Sein Versuch, die Verantwortung nach Berlin zu schieben, ist an den Fakten gescheitert.“

Ob in NRW ein Sonderermittler zur Aufarbeitung der Amri-Ermittlungen eingesetzt wird, ist derweil noch offen. Die rot-grüne Regierungsmehrheit hatte angekündigt, darüber — trotz der verweigerten Unterstützung von CDU und Piraten — noch in dieser Woche zu entscheiden. Im Bund wird es zunächst keinen Untersuchungsausschuss geben, sondern eine Ermittlergruppe durch das Parlamentarische Kontrollgremium eingesetzt. juki/dpa/AFP

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