Politik Die Große Koalition - Aufgepumpt in den letzten Herbst

Die Tonlage in der Großen Koalition wird rauer - Der Bundestagswahlkampf wirft erste Schatten voraus

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

Foto: Kay Nietfeld

Berlin. Einige Leute liegen noch am Strand, aber die Politik pumpt sich schon wieder auf. Nächste Woche startet der Bundestag in die Herbst-Saison, die Große Koalition in ihr letztes Jahr. Union und SPD scheuen gegenseitige Angriffe jetzt nicht mehr und setzen öfter eigene Akzente. Der Bundestagswahlkampf 2017 wirft seine Schatten voraus.

"Die Tonlage ist etwas rauer geworden", räumte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Donnerstag ein. Die Koalition beginne sich "zu entflechten". Aber das sei zu diesem Zeitpunkt normal. Deutlich wurde das in der letzten Woche, als Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) der Union in Sachen Integration der Flüchtlinge Blockadepolitik vorwarf und sogar die Kanzlerin persönlich angriff: "Einfach mal sagen "Wir schaffen das" und dann die Sache einfach laufen lassen, ist ein großer Fehler gewesen." Gabriel versuchte damit zielgerichtet Angela Merkels Schwachpunkt zu treffen: Die mangelnde Unterstützung in den eigenen Reihen für ihre Flüchtlingspolitik.

Schwachpunkte hat freilich auch der wahrscheinliche Kanzlerkandidat der SPD, auf die am Donnerstag im Gegenzug Unionsfraktionschef Volker Kauder einhieb, als er Gabriel fehlende Weitsicht in der Wirtschaftspolitik vorhielt. Der Mann sei "eine Enttäuschung". Gemeint war der Streit um TTIP und CETA. Er laviere, um seine Schwierigkeiten als SPD-Chef zu kaschieren, assistierte der CSU-Politiker Max Straubinger. Dass die Hakeleien immer persönlicher werden, zeigte jüngst auch die Unions-Kritik an dem sonst stets verschonten SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Auch inhaltlich bemühen sich beide Seiten stärker um Profilierung. Zum Thema Innere Sicherheit gab es bei den Klausurtagungen der Fraktionen, die am Donnerstag parallel begannen, ein fast schon kurioses Wettrennen. Die SPD fordert 12.000 neue Polizeistellen, die Union 15.000. Die SPD will Kinderehen verbieten, die Union auch. Außerdem will sie etwas gegen die vielen Einbrüche tun. Die Sozialdemokraten bereiteten ihren sozialen Wahlkampf vor, den sie anhand von wenigen symbolischen Themen führen wollen. Eine "Nachschärfung" der Mietpreisbremse und Verbesserungen für Alleinerziehende, etwa beim Unterhaltsvorschuss, gehören dazu. Die Union setzt derweil auf Steuersenkungen - und einen schuldenfreien Etat.

In der ersten Sitzungswoche des Herbstes geht es um den Bundeshaushalt 2017. Das gibt Gelegenheit, die neue Konkurrenz deutlich werden zu lassen. Nicht nur am kommenden Mittwoch bei Generalaussprache über den Etat der Kanzlerin, sondern schon am Dienstag, wenn Wolfgang Schäuble (CDU) als Finanzminister die Aussprache eröffnet: Gibt es wirklich einen Spielraum von 15 Milliarden Euro für Steuersenkungen, wie die Union meint? Oder muss und darf es auch Steuererhöhungen für Reiche geben? Auch in der Debatte um den Haushalt von Innenminister de Maizière gleich danach könnte es ungewohnt munter werden.

Dennoch ist all das nur Warmlaufen für die Heiße Phase, die erst mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im nächsten Frühjahr beginnt. Dann steht auch endgültig fest, wer die Kanzlerkandidaten sind. Bis dahin will die Große Koalition die Rivalitäten nicht eskalieren lassen. "Für Wahlkampf ist es noch viel zu früh", sagte Oppermann. "Wir müssen auch das letzte Jahr weiter freundlich regieren", meinte bei der Union Michael Grosse-Brömer. Die noch offenen Reste des Koalitionsvertrages, darunter das Behinderten-Teilhabegesetz und die Reform der Pflegeberufe, sollen abgearbeitet werden, das betonten beide Seien. Allerdings wird, das zeigt sich derzeit beim Entgeltgleichheitsgesetz und bei der Ost-West-Rentenangleichung, schon heftiger als sonst gerungen.

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