Debatte Deutsche Politiker fordern Ende des Flüchtlingsdeals mit der Türkei

Viele Bundes- und Landespolitiker fordern zum Jahrestag des Abkommens mit der Türkei politische Alternativen. Nur die CDU ist für eine Beibehaltung des Status Quo.

 Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei jährt sich. Deutsche Politiker streiten über seinen Fortbestand. (Symbolbild)

Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei jährt sich. Deutsche Politiker streiten über seinen Fortbestand. (Symbolbild)

Foto: Christian Charisius

Düsseldorf. Exakt ein Jahr nach der Vereinbarung des Flüchtlingsabkommens der Europäischen Union mit der Türkei haben sich deutsche Bundes- und Landespolitiker gegenüber unserer Zeitung für eine sofortige Aufkündigung des Deals ausgesprochen. „Die Bundesregierung hat sich ganz offensichtlich in die Abhängigkeit von Herrn Erdogan gebracht“, sagt FDP-Politiker Christian Lindner. „Deutschland muss sich schnellstmöglich aus der Erpressungssituation befreien.“

Mit der Übereinkunft vor einem Jahr hatte die Türkei sich gegen finanzielle Unterstützung für die Rücknahme von Flüchtlingen und Migranten verpflichtet, die nach dem 20. März 2016 auf die griechischen Inseln kommen und deren Anträge nicht zulässig sind. Inzwischen sollen rund 3 Millionen Flüchtlinge in der Türkei sein, darunter 2,8 Millionen aus dem syrischen Bürgerkrieg.

Lindners Vorschlag für eine künftige Lösung: Europa müsse seine Grenzen wieder selber kontrollieren. „ Im Sinne der Kontrolle, mit wem wir humanitär solidarisch sind und wen wir aus wohlverstandenem Eigeninteresse in den Arbeitsmarkt einladen und für wen weder noch gilt. Dazu muss die Grenzschutzagentur Frontex zu einer echten Grenzpolizei ausgebaut werden - zu einer mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Behörde mit 15 000 Kräften.“

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte unserer Zeitung gegenüber „das Versagen der EU-Mitgliedstaaten, sich auf eine solidarische Verteilung von Flüchtlingen zu einigen“. Die Große Koalition habe „einen faustischen Pakt geschlossen und Mephisto fordert nun seinen Lohn ein“. Özdemir plädiert trotz Abkommen für einen kritischeren Umgang mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan: „Leisetreterei verführt Diktatoren nur zu der falschen Schlussfolgerung, sich alles erlauben zu können.“

Der Linke-Parteichef Bernd Riexinger kritisiert, dass sich „einige EU-Länder angesichts einer andauernden humanitären Katastrophe aus der Verantwortung stehlen. Kurzfristig müssen südeuropäische Länder wie Griechenland und Italien stärker unterstützt, aber langfristig muss eine einheitliche, humane Migrationspolitik für Europa gefunden werden.“ Die EU benötige dafür einen „Gemeinschaftsfond und Anreizsysteme“.

Dagegen will der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jürgen Hardt an dem Abkommen festhalten. Für erpressbar hält der Bundestagsabgeordnete für Remscheid, Solingen und Wuppertal die Bundesregierung nicht: „Trotz aller Rhetorik türkischer Politiker ist klar: Das Flüchtlingsabkommen ist in beiderseitigem Interesse. Deshalb wird es weiter umgesetzt.“

So sieht es auch CDU-NRW-Chef Armin Laschet: „Wir helfen den Millionen Flüchtlingen aus Syrien, dass sie in der Türkei leben und bleiben können und ihre Kinder Bildung bekommen. Im Gegenzug sorgt die Türkei dafür, dass die illegale Migration nach Europa eingedämmt wird und Schlepper keine Chance mehr haben.“ Laschet hielte die Aufkündigung des Abkommens für falsch: „Das Gegenteil ist richtig: Wir brauchen solche Abkommen mit den Ländern rund ums Mittelmeer.“

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