Analyse Dachausbau als Mittel gegen den Wohnungsmangel

Die große Koalition erwägt eine Aufstockung bestehender Häuser. Antrag Bayerns auf bessere steuerliche Förderung.

 Hoch hinaus: Rund 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen fehlen laut Hans-Böckler-Stiftung. Nach einer Studie der TU Darmstadt könnten auf bestehendenDächern 1,1 Millionen neue Domizile entstehen. Foto: dpa

Hoch hinaus: Rund 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen fehlen laut Hans-Böckler-Stiftung. Nach einer Studie der TU Darmstadt könnten auf bestehendenDächern 1,1 Millionen neue Domizile entstehen. Foto: dpa

Foto: Christian Charisius

Berlin. In Deutschland fehlen Wohnungen — und zwar ziemlich viele: Allein in den 77 deutschen Großstädten werden nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler- Stiftung 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen dringend benötigt. Die große Koalition will mit einer Bauoffensive gegensteuern. Jetzt kommt ein Vorschlag hinzu: die Aufstockung bereits bestehender Häuser.

Auf den Dächern könnten mehr als eine Million neue Wohnungen entstehen, „ganz ohne neues Bauland zu benötigen oder weitere Grünflächen zu versiegeln“, sagte Unionsexperte Jan-Marco Luczak (CDU) unserer Zeitung. So sieht man das auch im Bundesrat: Der Länderkammer liegt ein Antrag Bayerns vor, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die beschleunigte steuerliche Abschreibung von Wohnungen einzuführen, die durch Aufstockungen entstehen.

Anlass ist eine Studie der Technischen Universität Darmstadt, die unlängst zu dem Ergebnis kam, dass bei 580 000 Mehrfamilienhäusern — vor allem der Baujahre 1950 bis 1989 — in Regionen mit erhöhtem Bedarf eine Erhöhung technisch möglich sei. Dadurch könnten 1,1 Millionen Wohnungen geschaffen werden. Im bayerischen Antrag heißt es, die steuerliche Förderung von Aufstockungen müsse attraktiver sein als die für Neubauten. Denn zusätzliche Wohnungen in einem bestehenden Haus seien durch die Vorschriften beim Brandschutz oder durch den Einbau eines Lifts oft teurer. Bei den Herstellungskosten schwebt dem Freistaat eine Zehn-Prozent-Abschreibung für zehn Jahre vor.

Damit kann sich offenbar auch die Union in Berlin anfreunden. Eine „besondere steuerliche Förderung“ müsse geprüft werden, sagte Luczak. Der Bund und die Länder sollten „hier ein attraktives Investitionsumfeld und dadurch Anreize schaffen“. Beim Koalitionspartner SPD heißt es: „Dachwohnungsbau spart Baugrund.“ Der Bund gebe allerdings Ländern und Kommunen schon Milliardenmittel, „damit sie flächendeckend aufstocken können“, sagte der wohnungspolitische Sprecher, Bernhard Daldrup. „Wir brauchen einen Mix aus vielen Maßnahmen.“ Dazu gehöre auch die Überlegung, auf Lebensmittelmärkten neue Domizile zu schaffen.

Auch die Opposition sieht in der Erhöhung von Häusern eine Möglichkeit, um gegen die Wohnungsnot vorzugehen. Wenn der Staat jedoch Steuergelder an private Investoren gebe, bedürfe es einer Gegenleistung wie einer Mietobergrenze, sagt Grünen-Experte Chris Kühn. „Eine blinde Förderung von Luxusdachgeschosswohnungen“ müsse verhindert werden. Nach Ansicht der FDP werden erhöhte Abschreibungssätze dem Problem allein nicht gerecht. Es seien vor allem baurechtliche Vorschriften in den Ländern, „die einer stärkeren Nutzung der Dächer im Weg stehen“, sagte FDP-Experte Daniel Föst.

Der Antrag Bayerns soll am 21. September im Bundesrat beraten werden. Am selben Tag lädt Angela Merkel (CDU) zum Wohngipfel ins Kanzleramt. Auf der Tagesordnung stehen Mietrecht, sozialer Wohnungsbau, die Beschleunigung von Bau- und Genehmigungsprozessen und weitere „praktische Maßnahmen“, wie es heißt. Der Dachausbau und seine Förderung könnten dazugehören.

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