Christen und Muslime stehen geschlossen gegen Meisner

Aussagen zu Familien sorgen für Empörung. Kölner Oberhirte rudert umgehend zurück und spricht von Missverständnissen.

Christen und Muslime stehen geschlossen gegen Meisner
Foto: Oliver Berg

Köln. Fast scheint es, als hätte Joachim Kardinal Meisner kurz vor der Rente noch einmal so richtig zulangen wollen. Was hat er in der Vergangenheit nicht schon alles gesagt? Er verglich Abtreibungen mit den Verbrechen der Nazis und bezeichnete Kultur ohne religiösen Bezug als „entartet“. Und nun ließ er sich vor konservativen Katholiken den Satz entgleiten: „Eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“

Das klingt zunächst einmal so, als vertrete Meisner die Meinung, katholische Kinder seien mehr wert als muslimische. Man könnte sogar meinen, hier schwinge die Befürchtung mit, die Katholiken könnten in Deutschland auf Dauer von den Muslimen zahlenmäßig überrundet werden.

Entsprechend empört fielen die Reaktionen nicht nur von muslimischen Organisationen, sondern auch von Politikern aus: „Eine abgestufte Wertigkeit von Familien und damit von Kindern je nach Herkunft oder Religionszugehörigkeit verstößt nicht nur gegen unsere Verfassung, sie ist auch alles andere als christlich“, teilte die NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) mit, selbst Mitglied des Zentralkomitees deutscher Katholiken. „Kardinal Meisner wäre gut beraten, eine Klarstellung seiner verunglückten Aussagen vorzunehmen.“

Was er dann auch umgehend tat. „Es war keineswegs meine Absicht, Menschen anderen Glaubens damit zu nahe zu treten“, versicherte er in einer Stellungnahme. „Meine Wortwahl war in diesem Fall vielleicht unglücklich. (. . .) Ich habe schon verschiedentlich gesagt, dass muslimische Familien unserer überalternden Gesellschaft in manchem ein Beispiel geben.“

Tatsächlich hat Meisner in der Vergangenheit mehrfach beklagt, dass selbst Katholiken heute zu wenige Kinder bekämen — sie könnten sich hier durchaus ein Beispiel an vielen muslimischen Familien nehmen. Nun lobte er vor Vertretern des konservativen „Neokatechumenalen Weges“ „die Glaubenskraft von Eheleuten, die zehn Kinder in die Welt setzen“.

Was er mit dem Satz über die muslimischen Familien meinte, war wohl in etwa: „Toll, dass viele von euch so viele Kinder haben! Das ist ja sogar noch besser bei den Muslimen!“ Was er wohl nicht sagen wollte, war: „Ein katholisches Kind ist dreimal so viel wert wie ein muslimisches.“

Doch auch wenn man diese Interpretation zu Meisners Gunsten annimmt, muss sich der 80-Jährige wohl vorhalten lassen, mit seiner Äußerung Klischees zu bestätigen. „Es gibt solche Wahrnehmungen, Muslime würden so viele Kinder auf die Welt bringen“, sagte der Dialogbeauftragte der Türkisch-Islamischen Union Ditib, Bekir Alboga, gegenüber der Deutschen Welle. „Damit schürt man Angst und Missverständnis. Es entspricht auch nicht den statistischen Realitäten.“ Der Zentralrat der Muslime sprach derweil von „Sarrazin-ähnlichen Äußerungen“.

Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Grünen, Sven Lehmann, meinte, Köln könne aufatmen, wenn Meisners Amtszeit nun endlich ablaufe. Er passe einfach nicht „zu einer Metropole der Vielfalt“. Tatsächlich hatte das Erzbistum im Dezember sogar selbst „eine starke Differenz zwischen kirchlicher Lehre und dem Leben der Katholiken“ eingeräumt. Auch praktizierende Katholiken können sich in Kardinal Meisners Ansichten demnach nicht mehr wiederfinden.

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