CDU-Parteitag AKK zwingt Merz in die Knie

Leipzig · Auf dem Parteitag in Leipzig stellt die CDU-Vorsitzende die Machtfrage – sie geht mit Erfolg volles Risiko. Merz gibt sich aber noch nicht geschlagen. Er lauert weiter.

 Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU und Verteidigungsministerin, wirft den Delegierten beim CDU-Bundesparteitag einen Kussmund zu.

Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU und Verteidigungsministerin, wirft den Delegierten beim CDU-Bundesparteitag einen Kussmund zu.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Ein Déjà-vu. Annegret Kramp-Karrenbauer hat wieder Tränen in den Augen, wie vor einem Jahr in Hamburg nach ihrer knappen Wahl zur neuen Parteivorsitzenden. Sie wirft den Delegierten einen Kussmund zu. Ebenfalls wie vor einem Jahr. Diesmal hat sie allerdings kurz vorher der CDU überraschend angeboten, getrennte Wege zu gehen, falls man sie wirklich nicht mehr will. „Dann lasst es uns heute aussprechen und lasst es uns beenden“, sagt sie entschlossen am Ende ihrer Rede. Es klingt demütig, aber es ist eine Kampfansage. An ihre Gegner. Volles Risiko. Die Delegierten geben ihr die Antwort – mit mehr als sieben Minuten Applaus. AKK hat mit einem Coup die Machtfrage für sich entschieden.

Was soll Friedrich Merz da noch entgegnen? Am Morgen, vor Beginn des Parteitages, betreibt der Hauptrivale der Vorsitzenden in der Leipziger Messehalle Basisarbeit. Merz besucht die Stände der Unionsgliederungen vor dem Plenarsaal. An dem der Bundestagsfraktion bleibt er lange stehen. Merz genießt hier den Zuspruch besonders. Die Fraktion ist die Machtzentrale, ohne ihre Rückendeckung sind alle persönlichen Karriereträume schnell zerplatzt. Pech für Merz, dass er die „Heute-Show“ im Nacken hat, das macht die Sache für ihn anstrengend. Jede Frage nach seiner Mission als CDU-Heilsbringer wehrt er ab. Ein Vertrauter sagt, Merz werde eine sachliche Rede halten. „Es wird keinen Angriff geben.“

AKK ist wie ein Fußballer auf dem Weg zum Finale

Nach der Rede der Vorsitzenden hat Merz freilich gar keine andere Wahl mehr, als klein beizugeben. Taktisch raffiniert hat Kramp-Karrenbauer ihn in die Knie gezwungen. Merz spricht als sechster in der Aussprache. Es wird still im Saal, als er beginnt. „Unsere Parteivorsitzende hat heute eine kämpferische, mutige, nach vorne zeigende Rede gehalten“, lobt er gleich mit dem ersten Satz. „Dafür sind wir ihr alle richtig dankbar.“ Applaus von den über 1000 Delegierten. Merz attackiert nicht. Im weiteren Verlauf erklärt er sogar, „die SPD ist strukturell illoyal und wir sind loyal zu unserer Vorsitzenden und Bundesregierung“.

Es gibt höhnisches Gelächter im Saal. Hatte er nicht nach der Thüringen-Wahl die Regierung noch als  „grottenschlecht“ bezeichnet? Geschwätz von gestern. Die Revolte ist tatsächlich abgeblasen. Spiel, Satz und Sieg Kramp-Karrenbauer. Für den Moment. Denn Merz sagt auch: „Nicht dieser Parteitag wird endgültige Entscheidungen treffen, sondern der in einem Jahr.“ Dann auch über die K-Frage. Merz lauert also weiter. Darauf setzen auch seine Anhänger, wie einer verrät.

Ein verkorkstes Jahr fällt oben auf der Bühne von Kramp-Karrenbauer regelrecht ab, als sie nach anderthalb Stunden Rede endet. Generalsekretär Paul Ziemiak eilt irgendwann zu ihr, er drückt und küsst sie auf die Wange. AKK wirkt erschöpft. Ihr musste in Leipzig ein Befreiungsschlag gelingen, um die Kritik an ihr zu beenden. Am Vorabend des Parteitages nimmt sie sich das Manuskript noch einmal vor, sie ergänzt, streicht, macht sich Notizen. Den großen TV-Sendern gibt die Saarländerin noch Interviews, schon da merkt man, dass sich etwas verändert hat. Sie antwortet auf die Fragen kurz und knapp, ist viel prägnanter als sonst. Keine ellenlangen Schachtelsätze. „In einem Tunnel“ sei sie, berichtet ein Vertrauterer, wie ein Fußballer auf dem Weg zum Finale. „Total fokussiert.“

AKK: „Dieses Jahr ist nicht so gelaufen wie vorgestellt“

So steht sie auch auf dem Podium. Hieß es in den letzten Monaten noch, sie sei schwach, angeschlagen und kraftlos, so zeigt die 57-Jährige jetzt, dass man sie zu früh abgeschrieben hat. AKK versucht, zu ihrer alten Stärke zurückzufinden. Immer wieder ruft sie „wir müssen“, „wir werden“. Vor allem aber: „Ich will“. AKK hat noch lange nicht aufgegeben. Mehr noch: Sie entwirft ihr eigenes Regierungsprogramm bei Bildung, Digitalisierung, in der Familien- und Wirtschaftspolitik. Sie führt.

„Dieses Jahr ist nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe, wie ihr euch das vorgestellt habt“, räumt Kramp-Karrenbauer selbstkritisch ein. „Natürlich ist nicht alles gelungen. Wer könnte das von sich behaupten?“ Man lasse sich aber „nicht in den Ruin schreiben“. Und es sei falsch, wenn man nur betone, was in 14 Regierungsjahren alles schlecht gelaufen sei. „Das ist keine erfolgreiche Wahlkampfstrategie.“  Erstmalig jubelt der Parteitag ihr zu. Jeder weiß, wer mit dem Angriff gemeint ist: Friedrich Merz.

Jetzt müsse die Zeit nach der Groko vorbereitet werden, betont Kramp-Karrenbauer. Es reiche für die Union nicht mehr, nur der „Reparaturbetrieb der Republik“  zu sein. „Wir müssen wieder zur Zukunftswerkstatt werden.“ Sie habe die Nase voll davon,  „dass wir in Europa immer die Langsamsten sind“. Wohlstand für alle könne zudem nicht „Wohlfahrt für alle“ bedeuten. So streichelt man die konservative Seele der Partei.

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