CDU-Ministerpräsidenten blockieren Steuersenkungen

Berlin (dpa) - In der Steuersache liegen die Koalitionäre inhaltlich gar nicht weit auseinander. Doch der Ton zwischen Union und FDP ist rau. Die Liberalen ärgert, dass Finanzminister Schäuble aus der Reihe tanzt.

Aber auch die CDU-Ministerpräsidenten machen Front gegen die Pläne.

Die FDP ermahnte Schäuble zur Kabinettsdisziplin. Der Kassenwart müsse die Zusage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine steuerliche Entlastung der Mittelschicht jetzt umsetzen, forderte FDP-Generalsekretär Christian Lindner.

Die Bundesregierung will trotz heftiger Gegenwehr auch der eigenen Ministerpräsidenten an dem Projekt festhalten. „Ziel ist es, kleine und mittlere Einkommen steuerlich zu entlasten“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Ohne die Länder kann Schwarz-Gelb eine Steuerreform nicht beschließen, weil Union und FDP im Bundesrat keine Mehrheit haben.

Thüringens Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU) kanzelte die Pläne regelrecht ab: „Die ganze Debatte ist irgendwie irre.“ Die SPD hält die Steuerentlastung für eine verkappte „FDP-Wahlhilfe“. Die Vorlage ihres eigenen Steuerkonzepts vertagten die Sozialdemokraten in den Herbst.

Union und FDP wollen - wie im Koalitionsvertrag vereinbart - Härten im Steuersystem glätten. Bisher werden Lohnerhöhungen zum Großteil wieder von der Steuer aufgefressen („kalte Progression“). Die Sanierung des Bundeshaushalts habe weiter „allerhöchste Wichtigkeit“. Dies müsse nun mit den Entlastungs-Plänen in Einklang gebracht werden. „Es muss hier niemand einen Gegensatz konstruieren“, sagte Seibert.

Die FDP regt auf, dass Schäuble bei den Steuern öffentlich wieder auf die Bremse tritt, obwohl die Koalitionsspitzen sich längst einig seien. Lindner sagte: „Die Chefs haben sich darauf verständigt, dass etwas kommt.“ Alle Minister müssten sich an die Kabinettsdisziplin halten und dafür arbeiten, was die Kanzlerin als Richtlinie vorgebe.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Union vor, nur die FDP retten zu wollen. „Das ist keine Steuerreform, sondern eine Wahlhilfe mit Steuergeld“, sagte er der „Bild“-Zeitung. „Das ist wirklich dreist.“

Die Koalition wolle mit neuen Milliarden-Schulden eine Mini-Steuerreform finanzieren. „Kanzlerin Merkel sollte sich erst mal fragen, warum die eigenen Union-Ministerpräsidenten dagegen sind. Wahrscheinlich deshalb, weil sie den Braten riechen“, sagte Steinmeier.

Die SPD will erst im Herbst ein eigenes Steuer- und Abgabenkonzept vorstellen. Darauf verständigte sich am Montag die Parteispitze. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte dies mit der Begründung vorgeschlagen, in den Sommermonaten solle man die Koalition über ihre eigenen Steuerpläne streiten lassen. Die schwarz-gelben Pläne kritisierte der SPD-Vorstand als „klaren Verstoß gegen die Schuldenbremse“, der auch im Bundesrat bekämpft werden würde.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle wies die Steinmeier-Vorwürfe zurück. „Das ist Quatsch. Es geht nicht um Profilschminke, sondern um gute Substanzpolitik für Deutschland.“ Lindner betonte, die Steuerpolitik sei ein Kernkompetenzfeld. Es werde keine „Selbstzensur“ der FDP geben.

Der Grünen-Chef Cem Özdemir warnte vor einer „Steuersenkung auf Pump“. Schwarz-Gelb wolle doch gar nicht Geringverdiener, sondern die Bessergestellten bedienen. „Es kann nicht sein, dass dafür alle Steuerzahler den Kopf hinhalten müssen.“ Stattdessen forderte Özdemir eine Senkung der Sozialabgaben, damit werde eine echte Entlastung niedriger Einkommen erreicht.

Auch mehrere CDU-Ministerpräsidenten halten den Zeitpunkt der Entlastung für falsch. Der Staat müsse den Aufschwung zur Sanierung der Haushalte nutzen. „Man kann in drei, vier Jahren darüber nachdenken, die Steuern zu senken, jetzt ist erstmal Schuldenabbau angesagt“, sagte der Regierungschef von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff. Das sieht auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen so: „Ich sehe, dass im Moment eine Steuerreform keine Stunde hat und keine Zeit.“

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte, man wolle mittlere und untere Einkommen entlasten. Alles stehe aber unter dem „klaren Vorrang“ der Haushaltskonsolidierung. Es sei verfrüht, über Termine und Volumina zu reden. Mögliche Steuerentlastungen werden nach den schwarz-gelben Plänen nicht schon zum 1. Januar 2012 greifen.

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