Sitzung unter Corona-Bedingungen Bundestag in Corona-Zeiten: Regieren mit Masken und Abstand

Berlin · Der Bundestag kommt in der Corona-Pandemie unter besonderen Bedingungen zusammen. Vieles läuft nur noch digital, für die Anwesenden gibt es viel zu beachten.

 Nicht nur im Plenarsaal des Bundestages müssen die Abgeordneten auf den nötigen Abstand zu anderen achten.

Nicht nur im Plenarsaal des Bundestages müssen die Abgeordneten auf den nötigen Abstand zu anderen achten.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Mit den Masken ist das so eine Sache. Zu Beginn der Fragestunde des Bundestages tragen nur zwei Abgeordnete im Plenum den Mund-Nase-Schutz, eine Parlamentarierin ein knallrotes Exemplar, passend zu ihrem Hosenanzug. Auch auf den Fluren der Bundestagsgebäude sieht man kaum Maskenträger, überall stehen aber weiße Mülleimer: „Bitte hier entsorgen!“ Wieder eine Sitzungswoche, die im Zeichen von Corona stattfindet.

„Ich brauche keine“, entgegnet ein hochrangiger CDU-Mann auf der Rolltreppe im Jakob-Kaiser-Haus, „ich bin gesund“. Vorbildlich ist das nicht. Denn das glauben viele von sich, aber sind sie es wirklich? Schließlich gab es auch im Bundestag schon Corona-Fälle. Unter der für das Publikum gesperrten Reichstagskuppel steht Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ebenfalls ohne Maske. „Ich habe eine im Auto“, sagt Spahn. Es sei ja „genau falsch“, sie in die Jackettasche zu stecken und sie dann immer wieder herauszuholen. Sozusagen als Virenschleuder. FDP-Mann Andrew Ullmann, immerhin Universitätsprofessor und Mediziner, hört dem Minister genau zu: „Das stimmt. Aber wenn man sie nur einmal am Tag trägt, ist das okay.“

Wie hält man es im Bundestag denn dann mit dem Abstand? Auf jedem dritten Stuhl im Plenarsaal liegt ein Zettel: „Bitte frei lassen“. An vielen Stellen wird auf die Regel, 1,5 Meter Distanz zu halten, hingewiesen. Plakate hängen in den Fahrstühlen und vor den Kantinen, die geöffnet sind. Doch genau dort fällt es vielen schwer, mit dem Essenstablett in der Hand dem Vordermann genügend Platz zu lassen. „Oh je“, rutscht es einem Fraktionsmitarbeiter heraus, als er am Mittag den Andrang an der hinter einem Plastikschutz verschwundenen Kasse sieht. Zumindest die Tische stehen weit auseinander. Sich richtig zu verhalten, ist halt schwieriger, als man denkt. Das gilt auch für Politiker, die jeden Tag für die Einhaltung der Vorgaben werben.

Brinkhaus sieht „gewisse Routine“ bei Abstandsregeln

Ralph Brinkhaus (CDU), Fraktionschef der Union, glaubt freilich: „Wir werden immer besser darin, die entsprechenden Abstandsvorschriften einzuhalten. Es entwickelt sich mittlerweile eine gewisse Routine.“ Es ist ja auch erst das zweite Mal, dass der Bundestag in der Corona-Krise zu einer Sitzungswoche zusammenkommt. Statt drei sind es erneut nur zwei Tage; wo sich sonst täglich mindestens 6000 Menschen über den Weg laufen, ist jetzt nur noch ein Bruchteil unterwegs. Vor allem die Mitarbeiter der Abgeordneten, die ihren Job nicht nur vom Home-Office aus erledigen können. Was immer geht, wird zugleich per Telefonschalt- und Videokonferenzen erledigt. Der Bundestag arbeitet erneut im Notbetrieb.

Brinkhaus lässt es sich nicht nehmen, im Fraktionssaal der Union die Glocke zu läuten, dabei sind außer CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und die parlamentarischen Geschäftsführer keine anderen mehr in dem riesigen Raum. Die Fraktionssitzung der Union findet digital statt, der Vorsitzende schaut in eine Kamera und auf zwei Monitore – über 200 Abgeordnete lassen sich hinzuschalten. Auch die Kanzlerin (CDU), die an diesem Donnerstag eine Regierungserklärung zu Corona abgibt. Der Koalitionspartner SPD geht etwas anders vor: Die Fraktionsführung und ein Teil der bereits angereisten Abgeordneten sitzen auf Abstand im Fraktionssaal, rund 40 weitere Parlamentarier verfolgen das Geschehen per Video aus einem zweiten Saal. Sie können sich von dort aus zu Wort melden oder Fragen stellen. „Das hat erstaunlich gut funktioniert“, erzählt einer. So finden derzeit übrigens auch die Pressekonferenzen statt, die es trotz Corona noch reichlich gibt. Man schaltet sich via Handy oder Tablet dazu, oder man reicht Fragen in Echtzeit schriftlich ein.

Vision vom eigenen System für Videokonferenzen

„Digital“ ist dann auch das Wort, das man dank Corona im Moment im Berliner Betrieb besonders häufig hört. FDP-Experte Konstantin Kuhle hat freilich einen Traum: „Wie krass wäre es, wenn der Deutsche Bundestag ein eigenes System für Video- oder Telefonkonferenzen hätte, das für Sitzungen aller Ausschüsse geeignet ist?“ Das gibt es offenbar nicht. Dann, so Kuhle, wäre die parlamentarische Kontrolle der Regierung auch in Krisenzeiten viel besser möglich. Und die Frage nach den Masken würde sich wohl nicht so sehr stellen.

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