Bundestag beginnt mit Sterbehilfe-Debatte

Nach der Sommerpause steht das heikle Thema auf der Agenda. Eine Entscheidung soll ohne Fraktionszwang fallen.

Gesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU). Foto: Archiv.

Gesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU). Foto: Archiv.

Foto: FABRIZIO BENSCH

Berlin. Der Bundestag beginnt damit, sich auf eine hochemotionale Debatte vorzubereiten: über die Sterbehilfe. Es geht um die letzten Fragen der Existenz. Wer darf unheilbar Kranken wie helfen, wenn sie nicht mehr leben wollen? Wo sind die Grenzen? Deutschland tut sich besonders schwer mit diesen Fragen, die in einigen Nachbarländern sehr liberal geregelt sind.

In der letzten Legislaturperiode scheiterte ein schon im Kabinett beschlossener Gesetzentwurf, der das Wirken kommerziell handelnder Sterbehilfe-Vereine verbieten wollte. Einen solchen Verein hatte zum Beispiel der frühere Hamburger Senator Roger Kusch gegründet; er nahm 8000 Euro für seine Sterbebegleitung, die darin bestand, den Todeswilligen einen Giftcocktail anzubieten. Ein CDU-Parteitag 2012 wollte das geplante Verbot auch auf nichtkommerzielle ehrenamtliche Sterbevereine erweitern, was der mitregierenden FDP aber zu viel war.

Zwischen Union und SPD besteht jetzt Einigkeit, dass bei einem neuen Vorstoß kein Fraktionszwang im Bundestag gelten soll. Gleich nach der Sommerpause soll das Verfahren mit Anhörungen in den Fraktionen beginnen, im Spätherbst gibt es eine fraktionsübergreifende Veranstaltung. Danach dürften sich Abgeordnete zu Gruppenanträgen zusammenfinden. Abgestimmt wird 2015. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) aus Neuss vertritt die Mehrheitsmeinung in seiner Partei: Verbot jeglicher organisierter Sterbehilfe unter Strafandrohung (siehe Kasten).

Etwas geschwächt wird diese auch von den Kirchen getragene Position durch Äußerungen des scheidenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider. Er kündigte kürzlich an, er werde seiner schwer krebskranken Frau zur Seite stehen, „wenn sie das Geschenk des Lebens an Gott zurückgeben“ wolle. Eine nach eigenen Worten „mittlere Position“ nimmt die Vorsitzende des Sozialausschusses, die Ratinger SPD-Abgeordnete Kerstin Griese, ein. Sie ist zwar ebenfalls gegen die organisierte Sterbehilfe, will jedoch nicht das Strafrecht anwenden, sondern das Vereins- oder Betäubungsmittelrecht. Vor allem will sie die Palliativmedizin und Hospize stark ausbauen, „damit niemand mehr in die Schweiz fahren muss“.

Einig sind sich bisher alle, dass es nur um passive Hilfen geht; der Sterbewillige muss die letzte Aktion selbst machen. Auch das Sterbenlassen durch den Verzicht auf aussichtslose Therapien soll Ärzten erlaubt bleiben, zumal wenn eine Patientenverfügung vorliegt. Die Tötung auf Verlangen, die zum Beispiel in Belgien praktisch jeder begehren kann, will hingegen im Bundestag niemand erlauben.

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