Bundesrechnungshof übt Kritik: Medizinischer Nutzen von Zahnspangen ist umstritten
Der Bundesrechnungshof übt Kritik an den Kosten für kieferorthopädische Leistungen. Der Vorwurf: Die Krankenkassen haben ein Verteilungsproblem.
Berlin. Gut eine Milliarde Euro geben die Krankenkassen pro Jahr für kieferorthopädische Behandlungen aus. Hohe Ausgaben, an deren Berechtigung der Bundesrechnungshof offenbar Zweifel hegt: „In anderen Leistungsbereichen der gesetzlichen Krankenversicherung muss der Nutzen einer Therapie wissenschaftlich bestätigt sein“, sagte laut Medienberichten Rechnungshof- Präsident Kay Scheller am Dienstag. Bei kieferorthopädischen Behandlungen hätten die Kassen aber keine entsprechend fundierten Erkenntnisse.
Bei einem genaueren Blick auf die Ausgaben ergibt sich ein differenzierteres Bild: Zwar lagen die Kosten für die kieferorthopädischen Behandlungen 2015 mit 1,02 Milliarden Euro auf fast gleichem Niveau wie im Jahr 2001. Die Zahl der jährlichen Fälle hat sich in diesem Zeitraum aber auf rund 618 000 glatt halbiert. Im Umkehrschluss müssen die Kassen somit heute durchschnittlich doppelt so viel Geld ausgeben wie noch zur Jahrtausendwende. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) führt diese Entwicklung auf allgemeine Kostensteigerungen sowie schwierigere Fälle zurück, die aufwendiger und teurer seien.
Nach dem Gesetz haben minderjährige Patienten Anspruch auf eine Zahnspange, wenn eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Um das Ausmaß der Behandlungsfähigkeit besser zu erfassen, wurden im Jahr 2002 fünf Bedarfsgrade eingeführt. Mittels dieses Systems ist nach Auskunft des Gesundheitsministeriums eine „objektive Aussage“ möglich, ob die Kassen für eine Zahnspange am Ende aufkommen oder nicht. Auch beim GKV-Spitzenverband kann man die Vorwürfe des Bundesrechnungshofs deshalb nicht nachvollziehen. „Die Kostenübernahme durch die Kassen erfolgt nur ab dem Behandlungsbedarfsgrad 3 und nur bei Patienten zwischen zehn und 18 Jahren zu 100 Prozent“, stellte eine Sprecherin auf Anfrage klar.