Bundesbürger werfen zu viel Lebensmittel in den Müll

Berlin (dpa) - Millionen Menschen in der Welt hungern - doch in Deutschland wirft jeder Bürger im Schnitt knapp 82 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg.

Dabei wäre dies bei 53 Kilo vermeidbar, wie eine am Dienstag von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) vorgestellte Studie ergab. Um diese Verschwendung einzudämmen, sollen Kunden künftig besser über das Mindesthaltbarkeitsdatum auf Packungen informiert werden. Die Politik will zudem die Wirtschaft in die Pflicht nehmen.

„Es ist Zeit für einen Bewusstseinswandel und für mehr Wertschätzung für unsere Lebensmittel“, sagte Aigner in Berlin. Jeder könne einen Beitrag leisten, die Verschwendung wertvoller Ressourcen zu stoppen. Aus den privaten Haushalten stammen laut der Studie der Universität Stuttgart 6,7 Millionen von insgesamt rund 11 Millionen Tonnen Nahrung, die jährlich im Müll landen. Der Rest fällt bei Lebensmittelindustrie, Handel und Großkunden wie der Gastronomie an.

Fast die Hälfte der Nahrungsmittel, die ohne Not im Müll landen, sind Gemüse (26 Prozent) und Obst (18 Prozent), wie die Studie ergab. Es folgen Backwaren und Speisereste. Nicht vermeidbar sei dagegen etwa, dass Bananenschalen und Knochen weggeworfen werden. Die Verschwendung hat auch ihren Preis: Pro Kopf landen so im Jahr Waren für 235 Euro unnötigerweise im Müll. Für einen Vier-Personen-Haushalt kämen 940 Euro zusammen, auf Deutschland hochgerechnet rund 20 Milliarden Euro. Basis der Untersuchung waren den Angaben zufolge Hochrechnungen zum Abfallaufkommen, Daten zum Essverhalten, Befragungen und Stichproben.

Gegen den massenhaften Verlust von Lebensmitteln will Aigner ein breites Bündnis zusammenbringen. An diesem Montag soll mit dem Handel eine Aufklärungsaktion zum Mindesthaltbarkeitsdatum starten. Dies soll vermeiden, dass Lebensmittel in den Abfall kommen, obwohl sie nach diesem Datum noch genießbar sind. Am 27. März will Aigner dann mit Herstellern, Gastronomie, Landwirtschaft, Verbraucherschützern und Kirchen über Strategien gegen die Verschwendung beraten werden. Ein Aspekt ist, in Entwicklungsländern Ernteverluste zu verringern.

Aigner bekräftigte, sich bei der EU für eine Abschaffung der zehn verbliebenen Vermarktungsnormen für Tomaten oder Äpfel einzusetzen. Dies dürfe kein Vorwand sein, Produkte auf Feldern unterzupflügen. Die SPD im Bundestag warf der Ministerin vor, die Frage der Normen hätte längst angegangen werden können ebenso wie Strategien zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen mit allen Beteiligten.

Handel und Lebensmittelhersteller versicherten, Verluste weiter zu verringern, auch wenn sie nicht völlig zu vermeiden seien. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels erklärte, schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen werfe kein Geschäft Lebensmittel gern weg. Ein wichtiges Steuerungsinstrument sei, Waren in kürzeren Abständen und in kleineren Mengen in die Läden zu bestellen.

Der Bundesverband Deutsche Tafel, der 900 Ausgabestellen für gespendete Lebensmittel vertritt, mahnte Aufklärung schon bei Kindern an. Die Grünen forderten eine Umkehr zu einer ressourcenschonenderen Landwirtschaft. Die Linke im Bundestag kritisierte, ein Hauptgrund für Verschwendung sei „ruinöser Wettberwerb“ im Lebensmittelhandel. Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ begrüßte die Pläne zu mehr Aufklärung. Vergeudung von Ressourcen in den Industrieländern gehe besonders zu Lasten armer Menschen in den Ländern des Südens.

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