Milliardenhilfen für die Länder Bund und Länder einig über Grundgesetzänderung für Digitalpakt

Berlin · Der Bund soll künftig mehr Geld in die Schulen stecken dürfen - in Computer und digitale Bildung. Über die dafür nötige Grundgesetzänderung sind sich Bund und Länder nun einig. Doch nicht nur Schüler profitieren.

 Ein Schüler des Gymnasium Carolinum errechnet eine Gleichung mit einem iPad im Matheunterricht.

Ein Schüler des Gymnasium Carolinum errechnet eine Gleichung mit einem iPad im Matheunterricht.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Nach monatelangem Ringen dauerte die entscheidende Sitzung nur 21 Minuten. Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat vom Mittwochabend ist klar: WLAN, Whiteboards, Laptops, digitale Lernprogramme und Plattformen - Deutschlands Schulen können mit Hilfe von fünf Milliarden Euro mit digitalen Mitteln ausgestattet werden.

Viele Schulen in Deutschland stehen bereits in den Startlöchern. Schließlich kündigte die damalige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) schon im Oktober 2016 ein Milliardenprogramm für die Ausstattung der Schulen mit Computern und WLAN an. Längst liegen die Pläne von Bund und Ländern hierfür auf dem Tisch - im Digitalpakt. Wanka-Nachfolgerin Anja Karliczek (CDU) eilte sich nach der Schnellsitzung des Vermittlungsergebnisses als erste an die Mikrofone: «Wir haben es geschafft.»

Bislang hatte es schlicht an der Rechtsgrundlage für die Umsetzung des Digitalpakts gehapert. Bis heute muss der Bund sich zurückhalten, wenn es um die Förderung der Schulen geht. Bildung ist Ländersache. Zwar schrieben SPD und Union in ihren Koalitionsvertrag, dafür das Grundgesetz ändern zu wollen. Aber das Gesetz dafür, auf das sich die Koalition mit FDP und Grünen im November einigte, ging den Ländern viel zu weit. Vor Weihnachten sagten sie im Bundesrat geschlossen nein - Ende Januar startete daraufhin das erste Vermittlungsverfahren in dieser Wahlperiode.

Nun stimmten alle 16 Länder zu - abermals geschlossen, wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betonte. Nur einer räumte große Bauchschmerzen ein: Baden-Württembergs Landeschef Winfried Kretschmann (Grüne). Der Kompromiss sei erträglich, meinte er, der den Länderblockade gegen die ursprünglichen Pläne organisiert hatte. «Ich will allerdings sagen, dass die ganze Richtung nicht stimmt», mäkelte er. Die Länder bräuchten mehr Steuermittel statt zweckgebundene Programmmittel.

An einigen Vorzeigeschulen kann man schon besichtigen, wie digitaler Unterricht aussieht: Sprachlehrer stellen zum Beispiel auf Englisch eine Frage an die Klasse - und lassen per Klick Antwortvorgaben auf den Bildschirmen vor den Schülern erscheinen. Diese können schnell Formulierungen wählen, darüber abstimmen, diskutieren. Fesselnder, dynamischer Unterricht kann das Ergebnis sein. Und bei einer Kurvendiskussion in Mathe kann es weniger um den Rechenweg gehen - sondern um die Interpretation der Ergebnisse.

So waren sich alle einig, dass die Schuldigitalisierung kommen soll. Woran haperte es dann? FDP und Grüne Details verhandelten Details in die geplante Grundgesetzänderung, die die Länder um ihre Bildungskompetenz fürchten ließen. Gebraucht wurden die zwei Oppositionsfraktionen, weil Union und SPD auch im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigten. Nach dem Kompromiss im Bundestag sollte es in der Verfassung künftig heißen, dass der Bund Finanzhilfen auch für die «Qualität» der Bildungsinfrastruktur bereitstellen darf. Das klang so, als könnte der Bund künftig Bildungsstandards und Inhalte mitbestimmen.

Haushälter der Koalition brachten einen weiteren Passus im Gesetzentwurf unter, der den Ländervertretern die Wut ins Gesicht trieb. Bei sämtlichen künftigen Bundesprogrammen zugunsten der Länder jenseits des schon ausgehandelten Digitalpakts sollten diese jeweils 50 Prozent aus dem eigenen Haushalt zuschießen. Das könnten vor allem ärmere Länder niemals stemmen, hieß es.

Die Bundespolitiker hatten allerdings ihrerseits gute Gründe für eine harte Haltung: So waren über Jahre Milliarden für den sozialen Wohnungsbau geflossen - viele Länder bauten mit dem Geld aber keine Wohnungen. Zudem sollten die Länder frei werdende Mittel für Bafög-Kosten in die Bildung stecken, nachdem der Bund diese Kosten 2015 voll übernommen hatten. Daraus wurde auch vielfach nichts.

Die Kompromisse sehen nun so aus: Bei der Bildung soll der Bund kräftig mitfinanzieren können, zwar nicht für die «Qualität» des Bildungswesens, wohl aber für die «Steigerung der Leistungsfähigkeit» der Bildungsinfrastruktur. Die Bildung soll in Länderhand bleiben. Aber der Bund soll Geld geben dürfen - auch für Systemadministratoren oder die digitale Fortbildung von Lehrern.

Und die Länder sollen die Bundesprogramme künftig auf jeden Fall kofinanzieren - aber nicht zwingend zur Hälfte. Und sie sollen nicht eigene Mittel im Gegenzug zu Bundeshilfen kürzen dürfen.

Zur Kontrolle der Verwendung seiner Mittel durch die Länder soll der Bund Berichte von den Ländern bekommen. Bei Mitteln für den Wohnungsbau und die Schienenwege soll der Bund auch eigene Erhebungen vor Ort durchführen können - nicht aber bei der Bildung.

Neben den fünf Milliarden Euro für die Schulen sollen nun bis 2021 zwei Milliarden für neue Sozialwohnungen fließen und eine Milliarde für Schienenwege. Der Bundestag will die Grundgesetzänderung an diesem Donnerstag beschließen, der Bundesrat am 15. März.

(dpa)
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