Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid Wenn die Bürger sich direkt in die Politik einmischen

Düsseldorf · Warum der Verband „Mehr Demokratie“ Volksbegehren in der parlamentarischen Demokratie für wichtig hält. Und warum der Brexit nicht als abschreckendes Beispiel herhalten soll.

Am Ende kamen in Bayern noch mehr Unterschriften zusammen.

Am Ende kamen in Bayern noch mehr Unterschriften zusammen.

Foto: dpa/Toni Mader

In Bayern haben sie kürzlich einen eindrucksvollen Erfolg erzielt, die Befürworter der direkten Demokratie: Mehr als 1,7 Millionen Bürger stimmten beim Volksbegehren zur Rettung der Bienen für eine Änderung des Naturschutzgesetzes. Die Politik versprach am Ende, Regelungen für blühende Randstreifen, mehr ökologische Landwirtschaft oder pestizidfreie Bewirtschaftung staatlicher Flächen nunmehr selbst per Gesetz anzupacken.

Für Alexander Trennheuser ist dieser Fall aber nur eines von vielen Beispielen, das „die große Lust der Bürger zeigt, sich politisch einzumischen“. In den Bundesländern nutzten immer mehr Menschen direktdemokratische Verfahren, um politisch mitzubestimmen, sagte der Landesgeschäftsführer des Verbands „Mehr Demokratie NRW“ bei der Vorstellung des „Volksbegehrensberichts 2019“.

Deutschlandweit gab  es danach in den vergangenen  zehn Jahren insgesamt 124 Anträge auf Volksbegehren. Daraus folgten 28 Volksbegehren und  6 Volksentscheide. Lediglich eines dieser Verfahren, das Volksbegehren „G9 jetzt in NRW“, fand in NRW statt. Allerdings gibt es in NRW zahlreiche Volksinitiativen (siehe Infokasten). Die derzeit laufende Volksinitiative „Straßenbaubeitrag abschaffen“ initiiert vom Bund der Steuerzahler, ist dabei mit mehr als 450.000 Unterschriften das erfolgreichste Verfahren, das je in NRW stattfand. Allerdings bindet eine solche Volksinitiative  den Gesetzgeber nicht. Der Landtag muss sich lediglich mit dem Thema befassen.  „Die Landesverfassung schließt finanzwirksame Volksbegehren leider aus“, erklärt Trennheuser. Das sei neben der hohen Hürde für Volksbegehren der größte Hemmschuh für die landesweite direkte Demokratie.

Frustrierte Bürger werden
zum Mitmachen animiert

Aber gibt es nicht ganz grundsätzliche Bedenken gegen eine Stärkung solcher direktdemokratischen Verfahren, Stichwort Brexit? Im Brexit-Referendum sieht auch Trennheuser kein Musterbeispiel der direkten Demokratie. Ein gutes Verfahren brauche großzügig gewählte Fristen, damit das Thema ausgiebig diskutiert werden und Unwahrheiten aufgedeckt werden können.

Der Impuls für den Brexit sei gerade nicht von unten, von den Bürgern gesetzt worden. In Großbritannien habe David Cameron ein Wahlversprechen gegeben: Wenn ihr mich wählt, dann werde ich euch ein EU-Referendum geben. Parlamentarier dürften aber nicht die eigene Verantwortung abschieben, sagt Trennheuser. Sinn der direkten Demokratie sei, ein Korrektiv zu sein.

Mitbestimmung der Bürger bei einzelnen Fragen biete die Möglichkeit, die Leute zurückzuholen, die sich möglicherweise frustriert von der Politik  abgewendet haben. Gerade in Zeiten sinkender Wahlbeteiligung und schwindender Mitgliederzahlen in den Parteien ermögliche Bürgerbeteiligung das politische Mitmachen auf eine zeitlich begrenzte Art, beschränkt auf ein Thema. Die Menschen fühlten sich dann „politisch wirksam“, ein Gefühl, das viele bei der Wahl vermissten.

Auch aus Sicht der Politiker sei die Sache so schlecht nicht. Das zeige das Beispiel Bayern, wo die Bürgerbeteiligung am stärksten sei, dies aber dennoch der seit Jahrzehnten regierenden CSU nicht schade. Die Bürgerbeteiligung habe da durchaus auch die Funktion des Druckablassens. Die Bürger könnten bei einem Thema, bei dem sie nicht zufrieden sind, entscheiden. Insgesamt aber behalte die Politik das Heft in der Hand.

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