Bürger wegen Atommüll besorgt

Berlin (dpa) - Der unklare Verbleib des Atommülls aus deutschen Kernkraftwerken bereitet der großen Mehrheit der Bürger Sorgen.

Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov für die Nachrichtenagentur dpa anlässlich des Neustarts der Endlager-Suche im neuen Jahr erstellte. Demnach fürchten 81 Prozent der Befragten vom Atommüll ausgehende Gefahren „sehr“ (45 Prozent) oder „ein wenig“ (36 Prozent). Nur jeder Zwanzigste hat in dem Zusammenhang keinerlei Sorgen (5 Prozent).

Bund und Länder hatten im November beschlossen, 2012 mit der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll neu zu beginnen. Mitte Dezember hatte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) einen Ausbaustopp für den einzigen bisher erkundeten Standort, das niedersächsischen Gorleben, verhängt. Die Gegner fordern jedoch einen völligen Erkundungsstopp und eine komplette Aufgabe des Salzstocks als potenzielles Endlager. Die Vereinbarung sieht aber vor, dass Gorleben bei der neuen Suche im Rennen bleibt.

Mehr als die Hälfte der 1053 Befragten (55 Prozent) begrüßt den bundesweiten Neustart der Endlager-Suche. Rund ein Viertel (26 Prozent) der Befragten würde lieber bei dem niedersächsischen Salzstock als Lagerort bleiben, wo seit 1977 bereits knapp 1,6 Milliarden Euro investiert wurden.

Trotz der Offenheit der meisten Befragten für die neue ergebnisoffene Suche würde aber nur eine kleine Minderheit ein Endlager am eigenen Wohnort akzeptieren (17 Prozent). Jeder dritte würde sich nach eigenem Bekunden an Protesten dagegen beteiligen (33 Prozent). Jeder Sechste würde demnach sogar die Region verlassen und wegziehen (16 Prozent). Ein weiteres knappes Drittel würde eine solche Entscheidung zwar ablehnen, aber nicht glauben, dass sich etwas dagegen tun lässt (29 Prozent).

Die Suche nach einer Lösung soll im nationalen Konsens erfolgen, heißt es im Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe vom 15. Dezember. So soll eine beratende Kommission den Prozess begleiten.

„Die Umfrage macht deutlich, dass ein Neuanfang in der Endlagersuche überfällig war. Sie zeigt aber auch, dass noch viel Arbeit vor uns liegt“, erklärte die rheinland-pfälzische Wirtschafts- und Energieministerin Eveline Lemke (Grüne), die Lemke in den Verhandlungen mit Röttgen die SPD- und Grünen-regierten Bundesländer koordiniert. „Alle wissen, dass das Zeug irgendwo hin muss, niemand möchte radioaktiven Müll vor seiner Haustür. Das ist das Dilemma, das wir lösen müssen.“

Für die Endlagersuche brauche die Politik Vertrauen. „Vertrauen stellen wir durch Transparenz, Ehrlichkeit, Verbindlichkeit und Ergebnisoffenheit her. 35 Jahre Gorleben sprechen jedoch eine andere Sprache. Deshalb braucht es dort einen Erkundungsstopp, um das verlorene Vertrauen aus diesem Prozess nicht auf einen Neustart der Suche zu übertragen.“

Eine Verlagerung deutschen Atommülls gegen Bezahlung ins Ausland - etwa nach Russland - lehnt eine klare Mehrheit ab (59 Prozent). Nur jeder Vierte befürwortet entsprechende Überlegungen (25 Prozent).

Drei Viertel der mehr als tausend Teilnehmer an der kurz vor Weihnachten durchgeführten Online-Befragung wollen zudem, dass die Suche nach einem neuen Standort allein von den Energiekonzernen finanziert wird (75 Prozent). Eine staatliche Beteiligung mit Steuermitteln findet nur jeder Fünfte richtig (21 Prozent).

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