Berlin hält an Atom-Kurs fest

Berlin/Stuttgart (dpa) - Nach den Wahlniederlagen für Schwarz-Gelb will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Atompolitik nicht zu raschen Entscheidungen drängen lassen.

Es bleibe dabei, dass bis Mitte Juni die Konsequenzen aus der Japan-Katastrophe für die künftige Nutzung der Kernenergie gezogen würden, sagte Merkel. Die Sicherheit der Meiler sei dabei am wichtigsten, aber auch die Bezahlbarkeit des Stroms und die Versorgungssicherheit.

Aus Sicht von FDP-Chef Guido Westerwelle wird die Koalition in der Energiepolitik weitreichende Schlüsse aus Fukushima ziehen. Man könne die Ereignisse in Japan und die Reaktion der Deutschen nicht ausblenden. Es habe einen Warnschuss der Wähler geben. „Wir haben diese Botschaft verstanden.“

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will den Atomausstieg nach der Wahlschlappe in Baden-Württemberg beschleunigen. „Jetzt geht es darum zu zeigen, dass man schneller aus der Kernenergie raus kann.“ Man könne nicht weitermachen wie bisher.

Die Grünen hatten mit dem Atom-Thema in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Rekordergebnisse erzielt. In Stuttgart, wo Winfried Kretschmann erster grüner Ministerpräsident werden soll, will eine grün-rote Regierung den Stromkonzern EnBW zu einem führenden Ökostrom-Anbieter umbauen.

Dort war Schwarz-Gelb für 4,67 Milliarden Euro mit 45 Prozent wieder eingestiegen. Schon vor Japan sei dies ein weit überhöhter Preis gewesen. „Wenn die Dividenden nicht höher sind als die Zinsen, fällt uns das auf die Füße“, sagte Kretschmann. Klar sei, „dass wir da eine schwere Hinterlassenschaft der Regierung Mappus schultern müssen“.

Greenpeace-Energieexperte Tobias Münchmeyer forderte von der Bundesregierung eine radikale Kurskorrektur. „Wer zu spät aussteigt, den bestraft der Wähler. Die Atomkraft wurde am vergangenen Wochenende abgewählt.“

Die Wahl-Erfolge der Grünen lösten an der Börse einen Run auf Aktien von Anbietern alternativer Energien aus. Die Papiere der Anbieter erneuerbarer Energien wie Nordex, Solarworld und Q-Cells legten teilweise zweistellig zu.

In Koalitionskreisen wird erwartet, dass die für drei Monate abgeschalteten sieben älteren AKW nicht mehr ans Netz gehen. Dazu äußerte sich Merkel nicht. Klar sei, dass die Laufzeitverlängerung von Schwarz-Gelb in einem neuen Energiekonzept anders aussehen werde.

Die Kanzlerin betonte, die Mehrfach-Katastrophe in Fukushima habe ihre persönliche Sicht auf die Kernenergie verändert. Die Meiler hätten Erdbeben und Flutwelle nicht standgehalten. „Ich bin belehrt worden durch Japan, dass die Auslegung (...) nicht ausgereicht hat.“

Diese Erkenntnisse müssten in die Sicherheitsüberprüfung der 17 deutschen AKW einfließen. Nach Angaben des Umweltministeriums wird die Reaktor-Sicherheitskommission an diesem Mittwoch den entsprechenden Fragenkatalog weitgehend abstimmen. Röttgen will die Kriterien noch diese Woche vorstellen.

Offen ist, wie die Stromkonzerne auf die neue politische Großwetterlage reagieren. Nach „Spiegel“-Informationen prüfen RWE und Eon Schadenersatzansprüche gegen den Bund wegen des Atom-Moratoriums. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, derzeit lägen keine Klagen vor.

Am kommenden Montag will Merkel sich erstmals mit der von ihr eingesetzten Ethik-Kommission treffen. Deren Sitzungen werden künftig möglicherweise im Internet oder Fernsehen übertragen, um eine breite Bürgerbeteiligung zu ermöglichen.

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