Hohe Wahlbeteiligung : Bayerns Kommunalwahl 2020: Demokratie im Schatten von Corona
München In Zeiten wie diesen sind gute Nachrichten wichtiger denn je. Der Freistaat zeigt am Sonntag, wie man mit der unsichtbaren Bedrohung des Coronavirus umgehen kann: gelassen, ohne Panik und demokratisch.
Kaum Maskierte, dafür viel Desinfektionsmittel, eigene Kugelschreiber und bisweilen zusätzliche Tischreihen als Sicherheitsabstand: Ohne Panik und mit jeder Menge Pragmatismus haben die Menschen in Bayern bei der Kommunalwahl der unsichtbaren Bedrohung durch das neuartige Coronavirus getrotzt. Und nicht nur das: Entgegen vieler Befürchtungen zeichnete sich schon bis zum frühen Nachmittag in allen großen Städten eine deutlich höhere Wahlbeteiligung ab als 2014.
„Wir begrüßen mit Herz und nicht mit der Hand“ ist in den meisten Wahllokalen schon am Eingang zu lesen. So auch im Münchner Süden, wo vereinzelt Wähler und Wahlhelfer auch Handschuhe tragen. Verängstigt oder verunsichert wirkt aber eigentlich niemand. „Dann pack ma's halt wieder“, sagt ein älterer Herr. „Ich bin erprobter Kommunalwähler, da bringt mich des Virus auch ned draus.“ Vor einem anderen Wahllokal in der Nähe sitzen gar zwei Senioren nach der Wahl noch in der Sonne und diskutieren bei einer Flasche Bier und einer Pfeife über die „Coronawahl“. Auf die Frage, ob sie mit dem Gedanken gespielt haben, aus Angst vor einer Ansteckung nicht wählen zu gehen, schmunzeln die Männer. „Da muss schon mehr kommen als des Virus da.“
In den hektischen Coronavirus-Zeiten ist die Gelassenheit am Wahlsonntag für viele Menschen eine willkommene Abwechslung, geht es im Anschluss doch für viele zum Sonntagsausflug. „Solange das noch geht, wollen wir die Sonne genießen“, sagt ein Münchner Familienvater mit ironischem Unterton bei seiner Ablösung als Wahlhelfer am Nachmittag. Er selbst habe eine chaotischere Wahl erwartet, zumal am Samstag die Stadt mit einem sprachlich eher verunglückten Aufruf Wahlhelfer nachrekrutiert hatte, sonst sei die „Durchführung akut gefährdet“. Um genügend Wahlhelfer an Bord zu haben, machte gar die Zwangsverpflichtung aller dienstfähiger Beamte die Runde.
Auch aus Nürnberg, so berichtet eine Wahlhelferin, sei die Stimmung sehr entspannt gewesen. „Vom Coronavirus oder der Angst davor haben wir eigentlich gar nichts bemerkt“, sagt sie. Selbst wenn sich punktuell vor den Urnen Warteschlangen bildeten, sei alles ruhig gewesen. „Wir hatten nur einen Wähler, der mit einer Maske kam.“ Während die meisten Wähler für ihre - etwa in München - bis zu 128 Stimmen auf den teils quadratmetergroßen Stimmzetteln ihren eigenen Stift mitbringen („Ich dachte Bleistift wäre ok“) - finden die bisweilen vorhandenen Waschgelegenheiten und Desinfektionsmittel guten Absatz, gerne vor und nach dem Kreuzchen machen.
Doch wehe das Desinfektionsmittel oder das Waschbecken samt Seife fehlt. „Wo ist hier der Desinfektionsspender?“, fragt in einem Wahllokal eine etwa 40-jährige Frau gleich am Eingang. Als ihr eine Wahlhelferin antwortet, dies sei nicht per se für Wähler vorgesehen, droht die Stimmung kurz zu kippen. „Unverantwortlich, im Internet stand, dass überall Desinfektionsmittel bereitgestellt wird.“ Doch auch hier ist schnell Abhilfe gefunden, denn die Wählerin hat in ihrer Jackentasche selbst Desinfektionstücher dabei. Beschweren werde sie sich aber dennoch, ruft sie noch, bevor sie ihre Wahlzettel abwischt und in die Urnen wirft. Die Tücher landen im Mülleimer daneben.