Ausweg große Koalition?

Rot-Grün ist in weite Ferne gerückt. Da scheint die SPD Schwarz-Rot nicht mehr abgeneigt.

Berlin. Offiziell ist die Losung der SPD klar: „Unser Ziel ist nach wie vor Rot-Grün“, sagte am Dienstag ein Parteisprecher zu Spekulationen, dass man sich längst auf andere Varianten vorbereite. Allerdings ist Rot-Grün nach der Bayern-Wahl und auch nach einer neuen Umfrage von „Forsa“ (siehe Artikel unten) in immer weitere Ferne gerückt.

Schon ist in den Medien davon die Rede, dass die SPD-Führung bereits einen „Plan B“ habe — für Gespräche mit der Union. Sogar über angebliche Absprachen der Spitzengenossen zur Verteilung der Posten wird berichtet: Parteichef Sigmar Gabriel Vizekanzler und Außenminister, Frank-Walter Steinmeier weiter Fraktionsvorsitzender, Thomas Oppermann Innenminister. Das dürfte reine Spekulation sein. Richtig ist allerdings, dass es gegenüber der großen Koalition in der SPD inzwischen eine veränderte Tonlage gibt.

Das Unwort hat seinen Schrecken etwas verloren. Das beginnt beim Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, der für sich ein Regierungsamt unter Angela Merkel (CDU) ausgeschlossen hat. Neuerdings fügt er hinzu, dass er seine Rolle „auch nach der Wahl mit Blick auf die dann zu führenden Gespräche zur Geltung“ bringen wolle.

Neu ist auch, dass die Parteilinke ihre totale Blockadestrategie nicht weiter verfolgt. Gab es noch im Sommer den Plan, schon über die Aufnahme von Gesprächen mit der Union einen Mitgliederentscheid zu initiieren — in der Erwartung, dass die Basis das ablehnen würde —, so heißt es jetzt, man wolle einen Entscheid nur über den fertigen Koalitionsvertrag verlangen.

Zudem werden schon Bedingungen für eine große Koalition genannt: ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn, gleiche Bezahlung von Männern und Frauen, Steuererhöhungen für die Bildungsfinanzierung, doppelte Staatsbürgerschaft und die Abschaffung des Betreuungsgeldes. Letzteres wird zwar mit der erstarkten CSU nicht zu machen sein, dennoch klingt die Liste nach Verhandlungsbereitschaft.

Allerdings ist auch die Abneigung immer noch groß. Verwiesen wird darauf, dass Angela Merkel und ihre CDU die Sozialdemokraten in der Regierungszeit 2005 bis 2009 „regelrecht erstickt“ hätten — bis zu den 23 Prozent bei der letzten Wahl.

Weil die Angelegenheit so sensibel ist, wird sich am Sonntagabend wohl noch kein Führungsmitglied auf eine Option festlegen. „Ich würde das jedenfalls keinem raten“, droht ein Partei-Linker. Die Entscheidung, mit wem Sondierungsgespräche geführt werden sollen, wird ein Parteikonvent treffen, der nächste Woche Freitag stattfinden soll. „Die Partei“, so ein Vorstandsmitglied, „lässt sich nicht mehr auf Kommando führen. Schon gar nicht in eine neue große Koalition.“

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