Bundesgerichtshof Ausschluss des Widerrufsrechts - Wie eklig ist ein Matratzen-Test?

Verbraucher können im Internet gekaufte Waren in der Regel zurückschicken. Doch versiegelte Hygieneartikel sind Ausnahmen. Das Streitobjekt beim Bundesgerichtshof: eine Matratze in Schutzfolie.

Bundesgerichtshof: Ausschluss des Widerrufsrechts - Wie eklig ist ein Matratzen-Test?
Foto: Wolfgang Kumm

Karlsruhe. Okay, das mit der Zahnbürste ist klar. Im Zweifel würde man selbst die des Partners nur mit Widerwillen benutzen. Aber auf einer Matratze schlafen, auf der schon mal jemand anderes gelegen hat? Ist das so eklig, dass man die Matratze gar nicht erst kaufen würde? Oder völlig normal - wie auch im Hotel? Beim Widerruf von Online-Käufen wird diese Frage so grundsätzlich, dass sich am Mittwoch der Bundesgerichtshof (BGH) damit befassen muss.

Worum geht es in dem Fall?

Der Kläger will eine online bestellte Matratze zurückgeben. Das Problem: Er hat die Schutzfolie entfernt. Der Verkäufer verweigert dem Mann deshalb den Widerruf. (Az.: VIII ZR 194/16)

Darf er das?

Generell können Verbraucher einen im Internet abgeschlossenen Vertrag innerhalb bestimmter Fristen widerrufen. Für manche Fälle ist dieses Recht aber ausgeschlossen. Dazu zählt der Kauf versiegelter Hygieneartikel. In Paragraf 312g des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) heißt es: „Das Widerrufsrecht besteht (...) nicht bei (...) Verträge(n) zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“.

Ist eine Matratze in Schutzfolie ein solcher Hygieneartikel?

Die BGB-Vorschrift basiert auf der EU-Richtlinie zu Verbraucherrechten. Die EU-Kommission hat dazu einen Leitfaden herausgegeben. Darin heißt es: „Damit Artikel (...) vom Widerrufsrecht ausgenommen werden können, müssen triftige Gesundheitsschutz- oder Hygienegründe für die Versiegelung vorliegen“. Die Ausnahme vom Widerrufsrecht könnte demnach beispielsweise für „Auflegematratzen“ gelten.

Ist die Sache damit nicht eindeutig?

Nein, so die Vorinstanzen. Sie halten den EU-Leitfaden für unverbindlich. Entscheidend sei nicht, ob hygienische Gründe die Rückgabe ausschließen würden, sondern ob diese einer Wiederveräußerung der Ware durch den Unternehmer entgegenstünden. Da eine Matratze gereinigt werden könne, sei ein Weiterverkauf möglich. Ein ähnliches Urteil erstritt die Verbraucherzentrale Brandenburg im vergangenen Jahr vor dem Landgericht Berlin. Daniel Schulz, E-Commerce-Experte beim Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz, hält es nicht für ausgeschlossen, dass der Fall vor dem EU-Gerichtshof landen könnte.

Was sind Hygieneartikel, die man sicher nicht zurückgeben kann?

„Zum Beispiel Zahnbürsten und Nasenhaarschneider“, sagt Verbraucherschützer Schulz. „Alles was mit der Intimsphäre zu tun hat.“ Waren aus dem Bereich der Privatsphäre könnten dagegen auch nach dem Auspacken noch zurückgegeben werden - etwa Kissen, Bettzeug oder ein Schlafsack. Als Abgrenzung sei die Frage hilfreich: „Wo wird es für den Durchschnittsverbraucher ekelerregend?“ Eine Matratze teste man auch im Laden, eine Zahnbürste dagegen nicht. Allerdings: Die Ware müsse ordnungsgemäß versiegelt sein, sagt Boris Wita von der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Nur dann dürfe das Widerrufsrecht ausgeschlossen werden.

Kommen Online-Händler mit dieser Regelung klar?

„Eine konkretere Definition für Hygieneartikel wäre sinnvoll“, meint Rechtsexpertin Eva Rohde vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel. „Oder zumindest eine einheitliche Rechtsprechung.“ Bisher gebe es nur sehr wenige Einzelfallentscheidungen. „Das gleiche Problem hat man bei der Frage, was eine für den Verbraucher erkennbare Versiegelung ist“, sagt Rohde. Genügt etwa der Aufkleber auf der Bikinihose, den man abziehen und wieder aufkleben kann? Nach Erfahrung der Rechtsexpertin lösen Firmen in der Praxis viele dieser Fälle auf Kulanzbasis.

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