Atomares Restrisiko für den Steuerzahler

Die spektakuläre Abspaltung des Kerngeschäfts bei Eon führt der Regierung die Kosten für den Akw-Rückbau vor Augen.

Atomares Restrisiko für den Steuerzahler
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Das Verursacherprinzip gilt. Jedenfalls nach dem Atomgesetz. Aber es bleibt eine nicht eindeutig geklärte Frage: Wie lang gilt das Prinzip eigentlich, zumal wenn kein Endlager für hochradioaktiven Atommüll gefunden wird? Es gibt das Negativbeispiel der Asse. Das einstige „Versuchs-Endlager“ für schwach- und mittelradioaktive Abfälle ist marode, eine Bergung könnte über vier Milliarden Euro kosten. Hier lagert auch Müll von Atomkraftwerksbetreibern.

Zahlen muss die Leichtgläubigkeit, dass in einem instabilen Salzbergwerk Atommüll sicher endgelagert werden kann, der Steuerzahler. Denn im Atomgesetz heißt es unter Paragraf 57, Absatz 6, zur Asse: „Die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung trägt der Bund.“

Droht sich bei der Abwicklung der deutschen Atomkraftwerke Ähnliches zu wiederholen? Die spektakuläre Eon-Entscheidung sorgt für Unruhe. Der größte deutsche Energieversorger will sein kriselndes Atom-, Kohle- und Gasgeschäft in eine neue Gesellschaft abspalten. Denn auch wenn Eon-Chef Johannes Teyssen die hohen Rückstellungen seines Unternehmens von 14,6 Milliarden Euro betont: Was ist, wenn das nicht reicht? Was, wenn in Kraftwerken und anderen Beteiligungen gebundene Rückstellungen am Ende viel weniger Wert als veranschlagt sind?

Durch den Zeitverzug bei der Endlagersuche — Experten rechnen nicht vor 2050 mit einem Endlager — drohen hohe Zusatzkosten für Ausbau und Modernisierung von Zwischenlagern, die nur für 40 Jahre genehmigt worden sind. Wer zahlt, wenn Eons „Bad-Bank“, die die Rückstellungen übernehmen soll, bis dahin nicht mehr existiert? Schließlich gibt es immer auch ein Insolvenzrisiko, gerade wenn bei einem Durchbruch für Ökostromspeicher immer weniger Kraftwerke benötigt werden sollten. Grüne und Linke pochen auf eine rasche Sicherung der Milliarden.

Eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft schätzt die Gesamtkosten für Rückbau und Entsorgung in Deutschland auf 26 bis 44 Milliarden Euro. Das ist eine enorme Spanne. Eingedenk von Kostensteigerungen bei solchen Großprojekten und zeitlichen Verzögerungen könnten es im schlimmsten Fall bis zu 67 Milliarden Euro werden, meint das FÖS. Allein der Rückbau des früheren DDR-Atommeilers Greifswald habe bisher 3,6 Milliarden gekostet, das zahlt ohnehin der Steuerzahler.

Die Rückstellungen der Energiekonzerne für ihre Anlagen betragen derzeit knapp 36 Milliarden Euro — das kann durchaus reichen. In der Bundesregierung existieren zwei Denkschulen: Im Umweltministerium gibt es klare Befürworter einer Überführung der Gelder in einen öffentlich-rechtlichen Fonds, um das Risiko für den Steuerzahler im Falle von Insolvenzen zu mindern. Im Bundeskanzleramt wird hingegen auf die Krise der Konzerne verwiesen. Ein Entzug der Rückstellungen könnte die Aktienkurse weiter belasten.

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