Angst vor Attentat auf Reichstag

Berlin (dpa) - Deutsche Sicherheitsbehörden befürchten einen Terroranschlag auf den Reichstag in Berlin. Ein deutscher Islamist hat sich laut „Spiegel“ aus dem Ausland mit entsprechenden Informationen beim Bundeskriminalamt (BKA) gemeldet.

Nach Darstellung des „Gotteskriegers“ will ein Kommando von Al-Kaida und verbündeten Gruppen möglicherweise den Sitz des Bundestages stürmen, Geiseln nehmen und ein Blutbad anrichten. BKA-Präsident Jörg Ziercke versuchte am Abend, die Bevölkerung zu beruhigen: „Zu Panik und Hysterie besteht in Deutschland kein Anlass.“

Die Attacke auf die Touristenattraktion Reichstag könne für Februar oder März geplant sein, schreibt das Magazin. Gedacht sei auch an einen Bombenanschlag in Deutschland mit einem Handy als Zünder. Von zwei solchen Szenarios berichtet auch die SWR-Sendung „Report Mainz“ unter Berufung auf ein BKA-Papier.

Nach dem Bombenalarm in Namibia wurde unterdessen der Leiter der Flughafensicherheitspolizei in Windhuk festgenommen. Er soll gestanden haben, die Bombenattrappe auf ein Gepäckband gelegt zu haben. Der Fund des Gepäckstücks hatte am Donnerstag für Aufregung gesorgt, die Herkunft blieb lange unklar.

Am Mittwoch hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor einem drohenden Terroranschlag von Islamisten gewarnt. Ausschlaggebend dafür waren laut „Spiegel“ die Aussagen des deutschen Islamisten, der sich in den vergangenen Tagen mehrmals telefonisch an das BKA gewandt haben soll. Der Dschihadist (Gotteskrieger) wolle aus der Terrorszene aussteigen und zu seiner Familie nach Deutschland zurückkehren, heißt es in dem Bericht.

Es gebe angesichts der Erkenntnisse der Behörden „keinen Grund, irgendeine öffentliche Veranstaltung abzusagen“, sagte Ziercke. „Ich gehe in jedem Fall mit meinen Kindern auf den Weihnachtsmarkt.“ Seine Behörde habe keine Informationen über konkrete Anschlagsorte oder Täter, aber: „Natürlich ist es so (...), dass symbolträchtige Objekte in Deutschland insgesamt im Fokus stehen könnten.“ Im Visier seien auch jene Islamisten, die nach einer Terrorausbildung im afghanisch- pakistanischen Grenzgebiet nach Deutschland zurückkehrten. Die Medienberichte könnten die verdeckten Ermittlungen der Sicherheitsbehörden und deren Quellen gefährden, kritisierte Ziercke.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte in Lissabon am Rande des Nato-Gipfels: „Wir haben eine reale Gefährdung durch den Terrorismus, das muss man einfach sehen.“

Nach den Informationen von „Spiegel“ und SWR sind zwei Terroristen bereits vor sechs bis acht Wochen nach einer Terrorausbildung in Pakistan nach Deutschland eingereist. Laut „Spiegel“ sind sie in Berlin untergetaucht. Vier Komplizen - ein Deutscher, ein Türke, ein Nordafrikaner und ein Mann unbekannter Identität - warteten nach den Angaben des BKA-Informanten auf ihre Abreise.

Ein zweiter Hinweis, auf den sich de Maizières Warnung stützt, stammt laut „Spiegel“ aus den USA. Die US-Bundespolizei FBI habe das BKA schon vor zwei Wochen in einem Fernschreiben auf einen mutmaßlichen Anschlagsplan hingewiesen.

Nach FBI-Angaben habe eine schiitisch-indische Gruppe, die sich „Saif“ („Schwert“) nenne, einen Pakt mit Al-Kaida geschlossen und zwei Männer auf den Weg nach Deutschland geschickt, um hier einen Anschlag durchzuführen. Die beiden sollten am 22. November in den Vereinigten Arabischen Emiraten ankommen, dort mit neuen Papieren ausgestattet werden und dann nach Deutschland reisen. Sie hätten bereits Visa für den Schengen-Raum.

Als Drahtzieher benennt das FBI laut „Spiegel“ einen Mann namens Mushtaq Altaf Bin-Khadri. Als Schleuser der Männer fungiere der 54- jährige Waffenhändler Dawood Ibrahim, der von der UN als Terrorunterstützer geführt werde. Er gilt als einer der Hintermänner der Terroranschläge, die sich Ende November 2008 in der indischen Metropole Mumbai ereigneten. Damals starben mindestens 171 Menschen.

Das FBI und das BKA messen der Information laut „Spiegel“ große Bedeutung bei. Laut SWR hält das BKA sie für „weitestgehend schlüssig und plausibel“. Der US-Auslandsgeheimdienst CIA, der Bundesnachrichtendienst und der deutsche Verfassungsschutz sollen dagegen skeptisch sein. Bisher gab es für eine Zusammenarbeit des sunnitischen Al-Kaida-Terrornetzes mit schiitischen Extremisten keine Beweise. Sie gilt bisher wegen der unterschiedlichen religiösen Ideologien der jeweiligen Gruppierungen als schwer vorstellbar.

Im namibischen Windhuk wurde am Freitag der Leiter der Flughafensicherheitspolizei festgenommen. Er hat nach offiziellen Angaben gestanden. Über seine Motive gibt es noch keine Erkenntnisse. Die Bombenattrappe war in einer Halle entdeckt worden, in der zuvor das Gepäck für einen Air-Berlin-Flug nach München gelagert war.

Der Chef der Bundespolizei, Matthias Seeger, bezeichnete die Gefahr eines Terroranschlags von Islamisten als konkreter denn je. Man habe anders als früher „mehrere Hinweise auf bevorstehende Anschläge, die aus verschiedenen Quellen stammen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Der Bundestag soll am Dienstag auf einer Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums über die Lage informiert werden. Für die Besucher des Reichstags gibt es derzeit keine Einschränkungen.

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