Analyse: Heizt der Tarifabschluss die Inflation an?

Das kräftige Gehaltsplus für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist nicht unumstritten.

Frankfurt. 6,3 Prozent klingen üppig. Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst nährt die Sorge vor einer neuen Maßlosigkeit der Gewerkschaften. Schon melden sich erste Mahner, zu hohe Lohnabschlüsse könnten die Inflation anheizen und somit die ohnehin schwächelnde Konjunktur belasten. Mancher Ökonom warnt jedoch vor Panikmache: Betrachte man die Zahlen genau, sei die Einigung verkraftbar.

Prominente Stimme im Chor der Warner: Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Er warnt davor, den Tarifabschluss zum Vorbild für andere Branchen zu machen. „Ich glaube, dass der Abschluss sicher kein Maßstab für andere Bereiche ist, sondern getrennt bewertet werden muss“, sagte Weidmann. Er fürchtet, dass der Anstieg der Energiepreise über kräftige Lohnerhöhungen die Inflation anheizen könnte.

In diesem Jahr laufen die Tarifverträge für weitere gut sieben Millionen Beschäftigte aus — von der Metall- und Elektrobranche über die Chemieindustrie bis zu Banken. Die Lohnforderungen bewegen sich zwischen fünf und sieben Prozent. Gefürchtet sind vor allem die Konflikte in der größten Industriebranche Metall und Elektro mit ihren etwa 3,3 Millionen Beschäftigten.

Der Abschluss im öffentlichen Dienst sei „nicht so furchteinflößend wie die 6,3 Prozent vermuten lassen, mit denen derzeit argumentiert wird“, rechnet Dekabank-Volkswirt Andreas Scheuerle vor: „Verglichen mit der Lohnforderung der Gewerkschaft von 6,5 Prozent kommt man auf 2,9 Prozent für ein Jahr. Verdi hat also etwa 43 Prozent der Lohnforderung durchgesetzt.“

Für viele Arbeitnehmer ist es nach Jahren mit Nullrunden oder geringen Gehaltserhöhungen, die von der Inflation gleich wieder aufgefressen wurden, ein gutes Signal, dass sie bald mehr Geld in der Tasche haben werden.

„Der Tarifabschluss ist aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive eindeutig positiv“, meint Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie der gewerkschaftlichen Böckler-Stiftung. Gut sei, dass er so hoch ausgefallen sei, „dass er auch höhere reale Einkommen zur Folge haben dürfte. Dies wird sich positiv auf die Binnennachfrage auswirken, die angesichts der Schwäche des Euroraums von besonders hoher Bedeutung ist“, erklärt Horn.

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