Alte Autofahrer: Die Zeitbombe und der Senioren-Tüv

Auf deutschen Straßen sind immer mehr ältere Fahrer unterwegs. Muss die Politik darauf reagieren?

Berlin. Hamburgs Innensenator Michael Neumann hat in ein Wespennest gestochen. Weil Senioren in der Hansestadt besonders oft in Unfälle verwickelt seien, fordert der SPD-Politiker einen regelmäßigen Gesundheits-Check. Mit zunehmendem Alter sinke das Sehvermögen, daher seien gerade regelmäßige Augentests wichtig, argumentiert er. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) betont hingegen: „Ältere Verkehrsteilnehmer dürfen nicht diskriminiert werden.“

Die Idee ist nicht neu. Schon 2009 wurde über einen Senioren-Tüv debattiert, nachdem im sauerländischen Menden ein 79 Jahre alter Mann in einen Schützenumzug gerast war. Zwei Menschen starben damals. Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann, heute Verkehrsminister von Baden-Württemberg, sprach damals von einer „demografischen Zeitbombe“, weil bis 2020 ein Drittel der Autofahrer älter als 60 Jahre sei.

Doch Hamburgs Innensena-tor Michael Neumann will — ebenso wie die Grünen im Bundestag — nun nicht einfach einen verpflichtenden, regelmäßigen Gesundheits-Tüv für Autofahrer über 65 Jahre, sondern für alle Autofahrer. Er und der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestags, Toni Hofreiter (Grüne), verweisen auf die Einführung des EU-weiten Führerscheins, den gerade junge Leute schon kennen.

Von 2013 an wird der Führerschein im Kreditkartenformat in allen 27 EU-Staaten die rund 110 bisher existierenden Führerscheintypen ersetzen — aber es gibt eine lange Übergangsfrist bis 2039 für den Umtausch. Der EU-Führerschein muss alle 15 Jahre formal verlängert werden. Für Neumann und Hofreiter wäre die Verlängerung ein Anlass, diese an verpflichtende Gesundheits-Checks zu koppeln. „Wenn man mit 20 Jahren den Führerschein bekommt, muss man mit 35, 50 und dann wieder mit 65 Jahren einen solchen Test machen“, sagt Hofreiter. „Das schadet keinem, sich alle 15 Jahre mal überprüfen zu lassen.“

Auch das EU-Parlament hatte betont, die Verlängerung könne von der „körperlichen und geistigen Tauglichkeit“ abhängig gemacht werden. Dabei gehe es um das Seh- und Hörvermögen oder um Erkrankungen wie Herz- und Gefäßkrankheiten, Zucker oder Nervenkrankheiten.

Doch die Bundesregierung will diese Kopplung bisher nicht, dies war schon zu Zeiten der Großen Koalition, ausgerechnet von SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, vereinbart worden. Die Verlängerung soll nach jetzigem Stand eher eine Formalie werden.

Aber das Thema könnte dennoch mehr als eine kurze Aufwallung sein, möglicherweise kommt es auch bei der Verkehrsministerkonferenz in einer Woche in Kassel zur Sprache. Denn gerade auch Autofahrer im mittleren Alter wehren sich oft gegen den Gang zum Augenarzt.

„Für die allgemeine Verkehrssicherheit ist es zunächst einmal wichtig, sich an die eigene Nase zu fassen und rechtzeitig zu bemerken, wann man zum Arzt sollte“, betont der Grünen-Verkehrsexperte Hofreiter. Wichtig sei zudem, dass Ärzte auch stärker von sich aus das Thema Fahrtauglichkeit in Patientengesprächen thematisieren.

Aber das demografische Problem wird auch vor dem Verkehr sicher nicht haltmachen. Die Zahl der Senioren über 65 Jahren wird bis 2050 um mehr als 50 Prozent wachsen, betont das Bundesverkehrsministerium.

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