Abschied für Wulff - Gabriel: „Große Peinlichkeit“

Berlin (dpa) - Massive Kritik und zahlreiche Absagen überschatten den Großen Zapfenstreich für Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Drei Wochen nach seinem Rücktritt wird der 52-Jährige an diesem Donnerstag in den Ruhestand verabschiedet.

An der militärischen Feier werden Bundeskanzlerin Angela Merkel und die meisten ihrer Minister teilnehmen. Rot-Grüne Spitzenpolitiker und Wulffs Vorgänger im höchsten Staatsamt bleiben dem Zapfenstreich aber fern. Auch sein mutmaßlicher Nachfolger Joachim Gauck wird fehlen.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Mittwoch in Berlin, für die Kanzlerin sei die Teilnahme am Großen Zapfenstreich für Wulff eine „Selbstverständlichkeit“. „Darin drückt sich der Respekt vor dem höchsten Amt aus, das unser demokratischer Staat zu vergeben hat.“ Eine Rede wird Merkel nicht halten. Die Ehrung ist wegen der Umstände des Rücktritts und der Vorwürfe gegen Wulff umstritten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Vorteilsannahme.

Die Partei- und Fraktionsspitzen von Koalition und Opposition waren zu der Zeremonie nicht eingeladen worden, wohl aber das Bundestagspräsidium. Aber auch die Bundestags-Vizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) bleiben dem Großen Zapfenstreich fern. Das bestätigten die Fraktionen von SPD und Grünen am Mittwoch. Damit werden Spitzenpolitiker von Rot-Grün bei der militärischen Verabschiedung des zurückgetretenen Bundespräsidenten komplett fehlen.

Auch Wulffs mutmaßlicher Nachfolger Joachim Gauck wird bei der feierlichen Verabschiedung nicht dabei sein. Dies bestätigte ein Sprecher Gaucks.Er sagte „Spiegel Online“ : „Eine Teilnahme Gaucks stand nie zur Debatte.“ Er habe auch nicht damit gerechnet, eine Einladung zu bekommen.

Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung (Donnerstag) haben mehr als 160 Gäste ihre Teilnahme am Zapfenstreich abgesagt. Unter ihnen seien der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle, und sein Vizepräsident Ferdinand Kirchhof. Schon früher war bekanntgeworden, dass Wulffs Vorgänger Walter Scheel, Roman Herzog, Richard von Weizsäcker und Horst Köhler nicht dabei sind.

SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte den Großen Zapfenstreich für Wulff eine „große Peinlichkeit“. „Da wird einer, der im Amt gescheitert ist, so verabschiedet, als habe er Großes für Deutschland geleistet“, sagte er den „Stuttgarter Nachrichten“ (Mittwoch). Vizekanzler Philipp Rösler verteidigte dagegen die Zeremonie. „Es geht um die Würde des Amtes unseres Staatsoberhaupts“, sagte der FDP-Vorsitzende „Spiegel Online“.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ist als Vertreter des Bundespräsidenten Gastgeber der Feier. Am Mittwoch sagte er in München: „Man nimmt seine Verantwortung wahr. Fertig. (...) Ich habe jetzt mit dem Termin keine Belastung.“

In der Debatte um Wulffs Pensionsansprüche fordert Bundestagspräsident Lammert eine Überarbeitung der bisherigen Regelung des Ehrensolds. Anzustreben sei „ein überzeugender Zusammenhang zwischen Amtszeit, Lebensalter und Versorgungsanspruch“, sagte der CDU-Politiker der Wochenzeitung „Die Zeit“. Der Gesetzgeber habe sich nicht vorstellen können, dass ein Staatsoberhaupt in so jungen Jahren und schon nach kurzer Amtszeit ausscheidet.

Auch die SPD dringt auf eine Reform der Ehrensold-Regelung für frühere Staatsoberhäupter. „Schon der Begriff passt nicht mehr in die Zeit“, sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Wie bei Regierungsmitgliedern könnten etwa 70 Prozent des letzten Gehalts eine Richtschnur sein. „Wir müssen für die Zukunft verhindern, dass Jungpensionäre wie im Fall Wulff zu einem öffentlichen Ärgernis werden“, sagte Oppermann.

Nach der geltenden Regelung erhält Wulff bis zu seinem Lebensende sein volles Gehalt von 199 000 Euro pro Jahr weiter.

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