40 Milliarden Steuerplus in diesem Jahr

Berlin (dpa) - Die Steuereinnahmen des Staates sprudeln in den kommenden Jahren kräftiger als bisher angenommen. Trotzdem dämpfte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Hoffnungen auf zusätzliche Entlastungen.

Bund, Länder und Gemeinden können bis 2015 mit 39,5 Milliarden Euro mehr Steuern rechnen als noch im Mai prognostiziert, wie das Bundesfinanzministerium am Freitag mitteilte. Die Opposition warnte Schwarz-Gelb vor „populistischen Steuersenkungsfantasien“.

Im laufenden Jahr liegt die Einnahme-Prognose gegenüber der Mai-Schätzung um 16,2 Milliarden Euro höher. Insgesamt nimmt der Staat 2011 demnach 571,2 Milliarden ein - 40,6 Milliarden mehr als 2010. Der Bund, der im laufenden Jahr mit 9,3 Milliarden Euro mehr rechnen kann als im Mai veranschlagt, will vor allem die Neuverschuldung auf etwa 25 Milliarden Euro halbieren.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), sagte: „Wir werden in diesem Jahr etwa das Steueraufkommen vor Krisenbeginn erreichen.“ Schäuble warnte am Rande des G20-Gipfels in Cannes: „Der Spielraum ist eher gering.“ Von den für den Bund 2012 erwarteten Mehreinnahmen von 2,7 Milliarden Euro gegenüber der Mai-Schätzung seien bereits 2 Milliarden verplant.

Die jetzt vorgelegten Zahlen der Schätzer, die von Mittwoch bis Freitag in Halle tagten, seien nicht so „furchtbar überraschend“, sagte Schäuble. Die Steuereinnahmen legten zwar dank des guten Wirtschaftswachstums 2011 wesentlich stärker zu. Aber schon 2012 werde sich der Zuwachs verlangsamen.

Die Bundesregierung geht in diesem Jahr von einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von knapp drei Prozent aus. Im kommenden Jahr liegen die Wachstumserwartungen nur noch bei 1,0 Prozent. Für 2012 erwarten die Schätzer gesamtstaatlich nun 7,4 Milliarden mehr an Steuern als noch im Mai geschätzt.

In einer Mitteilung des Finanzministeriums heißt es: „Über die Beseitigung der kalten Progression hinaus gibt es haushalterisch keine Spielräume.“ Deutschland werde Schuldenbremse und europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten „und so Stabilitätsanker und Wachstumslokomotive in Europa bleiben“.

Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider sagte: „Die Mehreinnahmen müssen auch in Deutschland dazu genutzt werden, die immer noch zu hohe Neuverschuldung schneller abzubauen.“ Die Grünen warnten: „Es gibt keinen Grund zu Euphorie, denn die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden sind nach wie vor tief in denn roten Zahlen.“ Aus der Wirtschaft kam erneut der Appell an die Politik, die Konsolidierung der Haushalte weiter voranzutreiben. Zugleich mahnte sie eine Entlastung vor allem der kleinen und mittleren Einkommen an.

Der Koalitionsausschuss will sich an diesem Sonntag unter anderem mit den Plänen zur Steuerentlastung beschäftigen. Kampeter sagte, Schäuble und FDP-Chef Philipp Rösler wollten dabei für ihre kürzlich vorgestellten Vorschläge zum Abbau der kalten Progression über die Einkommensteuer werben. Die Entlastungssumme liegt dabei bei sechs Milliarden Euro. Wirtschaftsminister Rösler sagte, mit den Handlungsspielräumen, die sich ergeben, sollten die unteren und mittleren Einkommen entlastet werden, um konjunkturpolitische Impulse zu setzen.

Bisher zeichnet sich keine Einigung im schwarz-gelben Steuerstreit ab. Die Vorbesprechungen mit den Ministerpräsidenten hätten keinen Durchbruch gebracht, hieß es in Koalitionskreisen. Aus der Union verlautete, auch Fraktionschef Volker Kauder (CDU) habe erhebliche Bedenken gegen die in CSU und FDP favorisierte Entlastung über eine Senkung des Solidaritätszuschlages. Kauder denke über Alternativen nach, bei denen gerade auch untere Einkommen profitieren würden.

Wie es in Koalitionskreisen hieß, wird als Alternative über einen Weg bei den Energiesteuern nachgedacht. Aktuell betrage die Steuern- und Abgabenlast beim Strompreis rund 40 Prozent. In der Koalition gebe es aber auch gegen diesen Vorschlag erhebliche Bedenken.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Freitag) berichtete, Kauder und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle arbeiteten an einem Kompromiss, bei dem die Senkung von Verbrauchssteuern etwa auf Energie, Strom und Tabak oder auf Kaffee, Sekt und Branntwein in Betracht komme. CSU-Chef Horst Seehofer dringt vor dem Koalitionstreffen auf eine Lösung. Der bayerische Ministerpräsident brachte eine Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums in die Diskussion ein.

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