12,6 Millionen in Deutschland von Armut bedroht

Wiesbaden (dpa) - Rund 12,6 Millionen Menschen in Deutschland waren im Jahr 2009 von Armut bedroht - das sind 15,6 Prozent der Bevölkerung. Am meisten gefährdet sind Arbeitslose und Alleinerziehende, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte.

Frauen sind häufiger betroffen als Männer, Jugendliche stärker als Ältere, Singles öfter als Menschen mit Familie.

Insgesamt blieb das Armutsrisiko in den vergangenen Jahren allerdings ziemlich konstant. 2008 lag es bei 15,5 Prozent, 2007 bei 15,2 Prozent. Für das Bundessozialministerium belegt die Statistik „die Leistungsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme“, für die Sozialverbände ist die Statistik Beleg einer verfehlten Politik und Beweis für eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich.

Am meisten von Armut bedroht sind Arbeitslose: Im Jahr 2009 waren statistisch mehr als sieben von zehn Erwerbslosen armutsgefährdet - unter den Erwerbstätigen war es dagegen nur etwa jeder Vierzehnte. Nach Arbeitslosen waren Alleinerziehende und ihre Kinder die am stärksten betroffene Gruppe: 2009 galten 43 Prozent der Menschen in solchen Haushalten als armutsgefährdet. Betrachtet man alle Haushalte mit Kindern, betrug die Armutsgefährdungsquote 15 Prozent.

Risikogruppe Nummer drei sind die Singles: Drei von zehn allein lebenden Personen waren 2009 armutsgefährdet - bei Haushalten mit zwei Erwachsenen unter 65 Jahren war dies nur bei jedem Zehnten der Fall. Frauen waren der Statistik zufolge stärker armutsgefährdet als Männer (15,4 beziehungsweise 14,9 Prozent), Jugendliche (18,9 Prozent) und Kinder (17,5 Prozent) häufiger betroffen als Ältere.

Nach der Definition der Statistiker gilt als „armutsgefährdet“, wer im Jahr 2009 weniger als 940 Euro monatlich zur Verfügung hatte. Die „Armutsgefährdungsquote“ gibt den Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung an. Die Statistiker befragten dafür 2010 im Rahmen einer europaweiten Erhebung 13 079 Haushalte mit insgesamt 23 531 Menschen ab 16 Jahren zu Einkommen und Lebensbedingungen. Die Angaben wurden nach einem einheitlichen Schlüssel gewichtet.

Das Bundessozialministerium sieht die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland als leistungsfähig an: „Sie verringern das Armutsrisiko der Gesamtbevölkerung um über ein Drittel und von Kindern um knapp die Hälfte.“ Arbeit sei der wichtigste Faktor zur Verhinderung von Armut. Im EU-Vergleich habe Deutschland ein unterdurchschnittliches Armutsrisiko. In den Ergebnissen für 2009 spiegele sich allerdings die Wirtschafts- und Finanzkrise wider.

Bundestagsabgeordnete von Grünen und Linken und Sozialverbände beklagten das Auseinanderdriften der Gesellschaft. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sprach von „einem neuerlichen Dokument tiefgreifender Verwerfungen in der bundesrepublikanischen Gesellschaft“. Den mehr als zwölf Millionen Armen stehe ein privates Geldvermögen von rund fünf Billionen Euro gegenüber. „Armutspolitik in Deutschland bleibt weitestgehend wirkungslos“, kommentierte Gerd Häuser, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Tafel.

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