In die Mitte der Gesellschaft

Rot-Grün arbeitet an einem Plan zur Inklusion. Er soll Behinderte gleichstellen.

Düsseldorf. Es ist das gesellschaftspolitisch sicherlich anspruchsvollste Projekt der NRW-Landesregierung, es wird — wenn es gut läuft — das Leben von Zehntausenden Menschen im Land zum Positiven verändern: Noch in diesem Jahr soll im Landtag der Inklusionsplan für Nordrhein-Westfalen beschlossen werden. Er hat die umfassende Integration behinderter Menschen in allen Lebensbereichen zum Ziel.

„Das ist eine Aufgabe für eine ganze Generation und wird Jahrzehnte in der Umsetzung brauchen“, sagt der SPD-Integrationspolitiker Josef Neumann. SPD und Grüne haben einen ersten Antrag vorgelegt, der ehrgeizige Ziele formuliert, der aber nur der Auftakt für eine Diskussion zwischen den Fraktionen bedeutet, wie Neumann betont. „Die Gespräche laufen gerade erst an.“

Man kann sagen, dass die Politik erst auf sanften Druck anfing, sich mit der besseren Integration der Behinderten auseinanderzusetzen. Denn Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet, die eine Gleichstellung verlangt. Also eine Selbstverpflichtung, die nun eingelöst werden soll.

„Deutschland hat einen großen Nachholbedarf. Das wird deutlich, wenn man die Situation mit der in den Niederlanden, in Skandinavien oder in Italien vergleicht“, sagt Neumann. Der Landtagsabgeordnete weiß, wovon er spricht: Er hat große Erfahrungen als Geschäftsführer der Lebenshilfe. „Auch hier ist ein Umdenken angesagt: Die Werkstätten müssen sich öffnen für den ersten Arbeitsmarkt, aber auch für Nichtbehinderte.“ Weg also von der betreuten Alimentierung, hin zum gleichberechtigten, gleichwohl geförderten Auftreten — etwa in den Niederlanden eine Selbstverständlichkeit.

Es sind dicke Bretter, die gebohrt werden müssen. Bevor etwa jeder Arbeitsplatz barrierefrei zu erreichen ist, wird noch viel Zeit vergehen und ist auch durch die Landespolitik nicht einfach nur anzuordnen. Direkten Zugriff hat die rot-grüne Regierung aber auf die Schulpolitik. Und da steht die Inklusion ganz oben auf der Agenda.

Noch im Herbst will das Schulministerium Eckpunkte für ein Gesetz vorlegen. Im Kern wird es vorsehen, dass die bisherigen Förderschulen mittelfristig ersetzt werden durch Klassen an allen Regelschulformen, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Dabei handelt es sich um mehrere zehntausend Kinder.

„Das bedeutet natürlich auch, dass wir in diesen Klassen zwei Lehrer benötigen, dass es Pflegepersonal und Sozialarbeiter an den Schulen geben muss“, sagt Neumann. Die vorhandenen Lehrer gebe es schließlich in den Förderschulen, allerdings werde es wohl zusätzlichen Personalbedarf geben. Die Diskussion zwischen den Fraktionen läuft gerade erst an. In der vergangenen Legislaturperiode hatte es in der CDU Widerstand gegen eine Öffnung bei dem Thema gegeben, die FDP hatte sich offener gezeigt. „Aber ich bin sicher, dass wir uns einig werden. Schließlich geht es um eine gute und sehr wichtige Sache“, so Neumann.

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