Honorar-Chaos: Aufruhr unter Ärzten

Am Mittwoch standen viele Patienten vor verschlossenen Praxis-Türen. Protestierende Mediziner drohen: „Das ist erst der Anfang.“

Düsseldorf. Geschlossene Praxistüren, frustrierte Patienten, kampfbereite Mediziner - der Ärzte-Protest eskaliert. Gestern schlossen in ganz Deutschland Orthopäden und Unfallchirurgen ihre Praxen, um gegen Einkommenseinbußen durch die seit Jahresbeginn geltende Honorarreformzu zu protestieren. Und das soll nur der Anfang sein: Bis zur Bundestagswahl im Herbst wollen die Mediziner ihre Streiks ausweiten, um eine deutliche Erhöhung der Ärztehonorare und einen Abbau der Bürokratie durchzusetzen.

Doch auch die Kritik an den Ärzte-Protesten wird heftiger. Rolf Rosenbrock vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung kritisiert, dass viele Ärzte ihre Patienten "in Geiselhaft" nähmen: "Insgesamt haben die Ärzte noch immer nicht begriffen, dass ein Berufsgruppe, die im Schnitt 100 000 Euro verdient, nicht derart laut schreien sollte."

Insgesamt sei eine Umverteilung innerhalb der einzelnen Facharzt-Gruppierungen von der Reform durchaus gewollt gewesen , "denn wir wissen, dass zum Beispiel Orthopäden und Radiologen im Vergleich zu Haus- und Kinderärzten überdurchschnittlich und zum Teil ungerechtfertigt viel verdienen." Der Bundesverband der Verbraucherzentralen warnt vor Ärzten, die Patienten nur noch gegen Vorkasse behandeln: "Das verstößt gegen geltendes Recht", so der Verband.

Besonders heftig fällt die Schelte von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) aus. "Derzeit gibt es viele in Deutschland, die angesichts der Weltwirtschaftskrise um ihre Arbeitsplätze und ihr Einkommen fürchten", sagt Schmidt. Die Mediziner könnten dagegen sicher sein, dass ihr Geld - ein Gesamthonorar von rund 30 Milliarden Euro - in diesem Jahr überwiesen werde.

"Kein anderer Berufsstand, außer den Beamten, hat diese Garantie." Aber kein Unternehmen der freien Wirtschaft komme wie die Ärzte auf die Idee, "interne Probleme einfach zu Lasten der Kunden zu lösen". Schmidt wirft den Ärzten vor, sie rechneten ihr Honorar schlecht, weil sie Zuschläge für Leistungen außerhalb des Budgets sowie für die Behandlung von Privatpatienten unterschlügen.

Das wiederum bringt die Ärzte aus der Fassung. Schmidt sei für das Chaos im Gesundheitssystem verantwortlich, sagt der Präsident des Berufsverbands der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie, Siegfried Götte: "Praxen mit vielen Kassenpatienten können die kommenden Monate kaum überstehen."

Patienten mit Brüchen, Osteoporose oder Rückenschmerzen könnten wegen der geringen Ärztehonorare nun nicht mehr ausreichend versorgt werden. Während für einen Handgelenkbruch rund 100 Euro gebraucht würfen, gebe es tatsächlich im Quartal nur noch 34Euro. "Das können doch nicht die Ärzte zuschießen", sagt Götte. Für ihn ist klar: "Die Honorar-Steigerungen für die Ärzte in Ostdeutschland gehen zulasten der westdeutschen Ärzte."

Auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland warnt vor einer Pleitewelle. 60 Prozent der Fachärzte in Nordrhein verlieren Honorar", sagt KV-Chef Leonard Hansen. Die KV werde künftig Gewinne und Verluste der Arztpraxen umverteilen, um Praxis-Konkurse abzuwenden. Umsatzgewinne sollen auf 60Prozent bei Hausärzten und 50 Prozent bei Fachärzten begrenzt werden, während die KV Umsatzverluste ab einem Minus von 7,5 Prozent ausgleicht.

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