Steigende Zahlen Homeoffice-Pflicht und 2G plus: Was die Politik gegen Corona tun will

Berlin · An dramatischen Appellen mangelt es angesichts der bedrohlichen Corona-Entwicklung nicht. In der neuen Woche muss die Politik Rezepte zum Gegensteuern liefern.

 Kommt die Homeoffice-Pflicht zurück?

Kommt die Homeoffice-Pflicht zurück?

Foto: dpa/Finn Winkler

Die sich zuspitzende Corona-Lage droht das Gesundheitssystem in Deutschland nach Einschätzung von Medizinern zu überfordern. Die mögliche Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP will mit der Neufassung des Infektionsgesetzes dagegenhalten. Die Abstimmung im Bundestag am Donnerstag wird zur ersten großen Bewährungsprobe für das angestrebte Bündnis von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Am gleichen Tag beraten Bund und Länder über die Corona-Lage. Am Sonntag überstieg die Zahl der nachgewiesenen Corona-Infektionen in Deutschland die Marke von fünf Millionen.

Appelle werden immer düsterer

Mahnrufe vom Wochenende machten die Dramatik der Situation deutlich. „Jeder Tag des Abwartens kostet Menschenleben“, heißt es in einem vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Redaktionsnetzwerk Deutschland veröffentlichten Aufruf von 35 führenden Medizinern und anderen Fachleuten. Grünen-Chef Robert Habeck sprach in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe von „äußerster Dramatik“ der Lage.

„Ich habe mir noch nie in der Pandemie so große Sorgen gemacht wie jetzt“, sagte die Vorsitzende des Ärzteverbandes Marburger Bund, Susanne Johna, den Funke-Zeitungen.

„Diese vierte Welle wird mehr Opfer, auch mehr Todesopfer, verlangen als alles, was wir bisher kannten“, warnte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) via „Bild am Sonntag“.

In überlasteteten Kliniken und Gesundheitsämtern sollen nach einem „Spiegel“-Bericht bis Weihnachten 12 000 Soldaten zur Unterstützung eingesetzt werden.

Was hat die Politik vor?

Am Donnerstag steht im Bundestag die Abstimmung über die Änderung des Infektionsschutzgesetzes an. SPD, Grüne und FDP im Bundestag wollen gegen den Willen der Union, der amtierenden Kanzlerin Angela Merkel und auch mehrerer Grünen-Gesundheitsminister der Länder die epidemische Lage nationaler Tragweite am 25. November auslaufen lassen und durch einen eingeschränkteren Maßnahmenkatalog im Infektionsschutzgesetz ersetzen.

Die Unionsfraktion will in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Antrag eine Verlängerung der Notlage erreichen. Zuerst hatte die „Rheinische Post“ über den Antrag berichtet. Auch Verdi-Chef Frank Werneke rief die Ampel-Parteien zur Korrektur auf. Das Auflaufen der Pandemielage sei ein Fehler, sagte er der dpa.

Nach einem „Tagesspiegel“-Bericht soll die Option auf 2G plus eingeführt werden, Geimpfte und Genesene bräuchten für den Zutritt zu Veranstaltungen dann zusätzlich einen negativen Test. Die Zeitung bezieht sich auf Änderungsentwürfe der amtierenden Bundesregierung, die auf Vorschläge der Ampel-Partner zurückgehen. Grünen-Chef Habeck nannte 2G plus einen „logisch nächsten Schritt.

Wieder eingeführt werden soll die Ende Juni ausgelaufene Homeoffice-Pflicht für Arbeitnehmer, wie aus einem der dpa vorliegenden Entwurfstext aus dem Arbeitsministerium hervorgeht. Die geplante Regelung ist Teil des Gesetzentwurfs für die 3G-Regeln am Arbeitsplatz.

Am Donnerstagnachmittag berät die Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bund. „Es hat uns immer geholfen, wenn Bund und Länder vorgehen und sich zu einheitlichen Regeln verpflichten“, sagte Merkel in ihrem neuen Video-Podcast.

Wie ist die Lage?

Nach RKI-Angaben vom Sonntag hat die Zahl der Infektionen die Marke von fünf Millionen überschritten. Die Sieben-Tages-Inzidenz je 100 000 Einwohner stieg auf den Rekordwert von 289,0. An der Spitze stand Sachsen mit 670,9. Thüringen wies am Sonntag einen Wert von über 500 auf, Bayern stand kurz vor dieser Marke. 97 672 Menschen sind im Zusammenhang mit Corona bisher verstorben.

Wie stellt sich die Situation auf den Intensivstationen dar?

„Uns rennt im Moment wirklich die Zeit davon“, sagte Intensivmediziner Christian Karagiannidis dem RBB. Der „allergrößte Teil“ der Covid-Intensivpatienten seien Ungeimpfte. Zunehmend gebe es hier aber auch doppelt Geimpfte, dies seien aber vielfach ältere Menschen sowie Patienten mit Medikamenten, die das Immunsystem dämpften.

Vor allem Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen bereiteten ihm „größte Sorgen“, sagte der Leiter des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Am Sonntag stieg die Zahl der Corona-Intensivpatienten auf über 3000, rund 1000 mehr als vor zwei Wochen.

Einem vertraulichen Bericht der Länder zufolge gibt es in Bayern und Baden-Württemberg bereits „täglich Verlegungen zwischen Krankenhäusern zum Ausgleich und zum Erhalt der Funktionsfähigkeit. „Im Norden gibt es noch Kapazitäten, im Süden sind sie praktisch aufgebraucht“, heißt es laut Funke-Zeitungen in dem Bericht der länderübergreifenden Steuerungsgruppe zur Patientenverteilung bei regionaler Überlastung. Die 16 Bundesländer sind in bundesweit fünf Kleeblätter genannte Gruppen eingeteilt, die sich zunächst gegenseitig helfen sollen. Ist ein ganzes Kleeblatt überlastet, wird deutschlandweit verteilt.

Wie sieht es mit den Impfungen aus?

Die Zahl der Schutzimpfungen steigt seit einigen Tagen, ein großer Teil davon sind Auffrischungen. Rund 3,8 Millionen dieser Booster-Impfungen wurden nach RKI-Angaben bislang verabreicht. In mehreren Bundesländern werden Impfzentren wieder geöffnet. Am Samstag kam es etwa in Bayern und Thüringen zu großem Andrang. Demnach waren 67,5 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, 70,0 Prozent haben mindestens eine Impfdosis erhalten. Seit Samstag sind wieder kostenlose Corona-Schnelltests für alle möglich.

(dpa)
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