Holocaust-Fonds um Millionen betrogen

Mit Hilfe von Mitarbeitern der „Jewish Claim Conference“ sollen mehr als 42 Millionen Dollar an deutschen Entschädigungsgeldern ergaunert worden sein.

New York. Auf den ersten Blick schien alles ganz einfach: Die Betrüger schalteten Anzeigen in russischsprachigen Zeitungen in den USA. Meist waren es Juden aus Osteuropa, die sich daraufhin meldeten. In ihrem Namen stellten die Betrüger Anträge auf deutsche Entschädigungszahlungen für Holocaust-Opfer.

Wurde ein Antrag bewilligt, so wurde der ausgezahlte Betrag geteilt. Im Zentrum des Skandals stehen keine gewöhnlichen Kriminellen, sondern Mitarbeiter der hoch angesehenen New Yorker "Jewish Claim Conference".

In New York wurden 17 Tatverdächtige des Betrugs angeklagt - darunter sechs Angestellte der gemeinnützigen "Conference on Jewish Material Claims Against Germany", wie die "New York Times" meldete.

Die renommierte Organisation hilft jüdischen Opfern des Nazi-Regimes seit Jahrzehnten, Anträge auf Hilfsgelder zu stellen. Über 16 Jahre hinweg sollen die Angeklagten mit falschen Ausweisdokumenten und frisierten Akten 42 MillionenDollar (30,5 Millionen Euro) an Entschädigungen erschlichen haben.

Mehr als 5500 gefälschte Anträge sollen nach Informationen des Fernsehsenders MSNBC bei zwei Entschädigungsfonds gestellt und bewilligt worden sein. Die Rechnung klingt zynisch: Wer vorgab, im Ghetto gelebt oder mindestens 18 Monate in einem Arbeits- oder Konzentrationslager der Nazis gesessen zu haben, konnte mit einer monatlichen Zahlung von 411 Dollar (rund 300 Euro) rechnen.

Die vermeintlichen Opfer rekrutierten die Betrüger im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Sie wurden teilweise unwissentlich und über Anzeigen in russischsprachigen Zeitungen in den Betrug verwickelt.

Die korrupten Mitarbeiter der Claims Conference überzeugten manche, Ansprüche auf die Zahlungen zu haben; Papiere seien manipuliert und Anträge bewilligt worden, die nicht zulässig waren. Laut den Ermittlern wurden die angeblichen Holocaust-Überlebenden teilweise erst nach 1945 geboren, einer sei nicht einmal Jude gewesen. Die "Claims Conference" hat noch keinen Überblick, wie groß der Betrug tatsächlich war.

"Jeder der Angeklagten spielte eine Rolle bei der Erschaffung, Stellung und Abwicklung der betrügerischen Anträge - und die Teilung der Beute", teilte die leitende FBI-Ermittlerin Janice Fedarcyk mit.

Staatsanwalt Preet Bharara ist entsetzt: "Wenn es irgendeine Institution gab, von der man annahm und hoffte, dass sie immun gegenüber Habgier und Betrug sein würde, dann war das die Claims Conference, die jeden Tag tausenden armen und älteren Opfern der Nazi-Verfolgung half." Nun sei diese Opfer-Organisation "selbst ein Opfer von Betrügern geworden".

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