Gerhart Baum über die Spionageaffäre: „Ich würde Snowden aufnehmen“
Ex-Innenminister (FDP) findet, dass die Regierung nicht genug gegen die Spionage der US-Geheimdienste tut.
Berlin. Die Bundesregierung müsse mehr Mut aufbringen, um sich gegen die Spionage aus den USA zu wehren, sagt der 81-jährige FDP-Politiker Gerhart Baum. Der Jurist war vier Jahre lang Innenminister und gilt als prominenter Vorkämpfer für den Schutz von Bürgerrechten und gegen deren Beschneidung, etwa durch staatliche Überwachung.
Herr Baum, handelt die Bundesregierung jetzt entschlossener in der NSA- und Spionage-Affäre?
Gerhart Baum: Sie hat ein Zeichen gesetzt, aber das ist viel zu wenig. Ich wehre mich deshalb dagegen, dass jetzt der Eindruck einer entschlossenen Regierung entsteht. Das ist ein Nebenkriegsschauplatz. Vom eigentlichen Problem lenkt die Bundesregierung ab. Das ist die Massenspionage durch die NSA, die massenhafte Ausspähung unserer Privatsphäre durch Erfassung aller Kommunikationsverbindungen einschließlich unserer Computer. Dagegen hat unsere Regierung bisher keinen sichtbaren Widerstand geleistet und nichts erreicht, obwohl sie verpflichtet ist, unsere Grundrechte zu schützen.
Washington ist aber offenbar ziemlich egal, was die Bundesregierung will.
Baum: Das mag ja sein, obwohl sich in den USA auch Widerstand zeigt. Aber wir können doch nicht die tiefen Eingriffe in die Grundrechte und in unsere Souveränität durch die USA hinnehmen. Die Regierung stürzt sich auf die spektakulären Fälle. Ich nenne das das „Merkel-Handy-Syndrom“. Aber durch eine Ausweisung eines Botschaftsmitarbeiters wird nicht das NSA-Problem gelöst, das Snowden enthüllt hat. Und: Wie verhält sich die Bundesregierung zu der massenhaften Datenweitergabe durch den BND in die USA? Das ist grundgesetzwidrig!