Gasknappheit Im Hitzesommer: Die Furcht vor der Kälte

DÜSSELDORF · Senioren, Verbraucher, Vermieter, Mieter und viele andere: die Rufe nach staatlicher Hilfe bei Gasknappheit werden lauter.

 Derzeit ein schwer vorstellbares Bild, aber in wenigen Monaten wohl Realität - mit der wärmenden Decke auf dem Sofa.

Derzeit ein schwer vorstellbares Bild, aber in wenigen Monaten wohl Realität - mit der wärmenden Decke auf dem Sofa.

Foto: imago images/Shotshop/Monkey Business 2 via www.imago-images.de

Viel trinken, sich nicht überanstrengen, ausreichenden Sonnenschutz – der Ratschläge sind viele in diesen Hitzetagen. Wie ein fernes, aber doch lauter werdendes Hintergrundrauschen ist aber auch eine andere Bedrohung auszumachen: Wie kommen wir durch die kalten Tage, die uns bei der absehbaren Gasknappheit im Winter bevorstehen? Mehr als die Hälfte der Wohnungen in Deutschland werden mit Gas beheizt. Wie bereitet sich die Gesellschaft darauf vor, welche Maßnahmen führen zu welchen Konsequenzen? Müssen insbesondere ältere Menschen, die bekanntermaßen leichter frieren, dann mit dem Rat leben, sich halt eine warme Jacke und dicke Socken anzuziehen? Ein Überblick über die Nöte und Sorgen und die Hilferufe an die Politik.

Zwar heißt es immer, den Privathaushalten stehe eine Rationierung des Gases erst dann bevor, wenn es nicht mehr anders geht. Die Debatte um eine Absenkung der Temperatur in Wohnhäusern läuft aber bereits. Ein Thema, das zwar Eigentümer von selbst bewohnten Wohnungen oder Häusern nicht direkt betrifft, weil sie ja, wenn sie entsprechend ins Portemonnaie greifen, die Energie zu dann immer höheren Preisen zukaufen können. Aber Mieter können hier nicht ausweichen, wenn ihre Raumtemperatur abgesenkt werden sollte. Es gibt Vorschläge, die Mindesttemperatur auf 18 Grad tagsüber und 16 Grad nachts abzusenken.

Die aktuelle Rechtslage, die auf diversen Gerichtsurteilen beruht, erklärt der Deutsche Mieterbund so: Während der Heizperiode, in der Regel vom 1. Oktober bis 30. April, muss der Vermieter die zentrale Heizungsanlage so einstellen, dass eine Mindesttemperatur in der Wohnung zwischen 20 und 22 Grad Celsius erreicht werden kann. Zwischen 23 und 6 Uhr reichen 18 Grad aus. Wird die Mindesttemperatur von 20 bis 22 Grad im Winter nicht erreicht, so liegt laut Mieterbund ein Wohnungsmangel vor. Solange der Vermieter diesen nicht behebt, kann der Mieter die Miete mindern, das heißt weniger zahlen. Würde nun per Gesetz oder Rechtsverordnung eine Absenkung der Minimaltemperatur auf 18 Grad tagsüber und 16 Grad in der Nacht festgelegt, müssten Mieter dies hinnehmen, ohne dass sie sich rechtlich dagegen wehren könnten.

Sorgen der Vermieter

Aber warum sollten Vermieter ihrerseits ein Interesse daran haben, die Heizungsanlage entsprechend einzustellen? Zum einen könnte auch dies ja durch die gesetzliche Vorgabe verlangt werden. Zum anderen haben sie ein erhebliches eigenes finanzielles Interesse an einem Minderverbrauch ihrer Mieter. Das macht ein aktueller Hilferuf des Eigentümerverbands Haus und Grund Rheinland Westfalen deutlich. Das Energieversorgungsunternehmen RheinEnergie habe angekündigt, die Gaspreise ab 1. Oktober um 120 Prozent zu erhöhen. Hinzu komme die bereits angekündigte neue Gas-Umlage. Dadurch gerieten Mieter, aber bereits vor diesen die Vermieter in eine finanziell bedrohliche Situation.

Verbandspräsident Konrad Adenauer erklärt: „Die Vermieter strecken die Gaskosten bis zur Jahresabrechnung Monat für Monat ihren Mietern vor. Bei einem solchen Preisanstieg, der weit über die vereinbarten Abschlagszahlungen hinausgeht, können die privaten Vermieter das Geld nicht mehr aufbringen. Ihnen droht schlichtweg die Zahlungsunfähigkeit“, warnt Adenauer. „Der Staat muss jetzt handeln. Er darf weder die Mieter, noch die privaten Vermieter mit der Gaspreis-Explosion alleine lassen.“

Viele private Kleinvermieter seien Rentner, die Mieteinnahmen stellen ihr Alterseinkommen dar. Von diesem Einkommen müssten sie auch noch die massiv gestiegenen Heizkosten ihrer eigenen Wohnung zahlen. Sie litten zudem wie alle anderen Bürger unter der hohen Inflation. Adenauer hält vor diesem Hintergrund die Pläne der SPD für nicht zielführend, Vermietern in Not ein zinsloses Darlehn anzubieten und zugleich die Kündigung von Mietern zu verbieten, die ihre Nebenkosten nicht begleichen können.

Haus und Grund-Verbandsdirektor Erik Uwe Amaya befürchtet: „Diese Mieter werden die Kosten auch nach Ablauf des Kündigungsmoratoriums nicht aufbringen können. Wie sollen die Vermieter dann das Darlehn tilgen? Die Vermieter-Insolvenzen würden nur auf die Zukunft verlagert. Dazu darf es nicht kommen.“

Mieter- und Verbrauchersorgen

Aber auch von anderer Seite kommen Hilferufe. So betont Wolfgang Schuldzinski, Chef der Verbraucherzentrale NRW, angesichts der drastischen Erhöhungen der Gaspreise: „Wir befürchten, dass immer mehr Menschen in eine Schuldenspirale geraten. „Spätestens mit der erwartbar hohen Energie-Nachzahlung werden viele Versorger auch die Abschläge massiv erhöhen. Durch die Einführung der Gas-Umlage zum 1. Oktober werden die Verbraucher zusätzlich mit mehreren hundert Euro pro Haushalt belastet. Staatliche Einmalzahlungen sind da oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Einkommensarme Haushalte, darunter auch viele Rentner, seien akut gefährdet, in den Sozialleistungsbezug abzurutschen.

„Staatliche Einmalzahlungen sollten allen Gruppen mit Niedrigeinkommen zugutekommen, auch Rentnern“, fordert Schuldzinski. Ebenso müsse das Wohngeld an die realen Energiepreise gekoppelt werden und eine Energiekomponente erhalten. Auch Empfänger von Bafög seien auf zusätzliche Unterstützung angewiesen. Und Sozialleistungen müssten Strompreise realistisch abdecken.

Sorgen der Rentner

Die Bundesarbeitsgemeinchaft der Seniorenorganisationen (Bagso) sieht ältere Menschen von der Kostensteigerung bei den Energiepreisen besonders stark betroffen. Sprecherin Stefanie Adler beklagt: „Dass Rentnerinnen und Rentner bei der Energiekostenpauschale übergangen wurden, ist aus unserer Sicht völlig inakzeptabel. Wir treten daher dafür ein, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren nachgebessert wird. „Insbesondere Ältere mit einer niedrigen Rente wird die Angst vor den steigenden Energiekosten dazu zwingen, die Heizung deutlich herunter zu regeln.“

Die Stromfalle

Angesichts befürchteter Engpässe mit Gas haben Händler bereits anziehende Verkäufe von Elektroöfen registriert. Doch auch diese teure Art von Heizung könnte fatale Auswirkungen haben. So warnt Lion Hirth, Professor an der privaten Berliner Hochschule Hertie School: „Wenn die Gasumlage das Gas so weit verteuert, dass es teurer wird als Strom, dann werden Menschen anfangen, mit Strom zu heizen, um Geld zu sparen – mit Elektroradiatoren, zur Not aber auch mit dem Backofen. Dann würde das Stromnetz sehr schnell vor Überlastung zusammenbrechen. Aus der Gaskrise würde dann schnell eine waschechte Stromkrise. Das müssen wir unter allen Umständen verhindern.“

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