G20-Gipfel: Europa zieht nicht an einem Strang

Analyse: Sparen oder die Konjunktur ankurbeln – beim Weltwirtschaftsgipfel am Wochenende wird um das richtige Konzept gestritten.

Toronto. Allzu gerne schob Europa den USA die Schuld an derFinanzkrise in die Schuhe. Hatte doch Washington im September 2008 dieGroßbank Lehman Brothers Pleite gehen lassen und damit denentscheidenden Dominostein umgeworfen. Doch mit ihren leerenöffentlichen Kassen steht nun die EU selbst am Pranger. Wie viele fauleKredite schlummern noch in spanischen Bankenbilanzen? KommtGriechenland wieder auf die Beine?

Angeschlagen reisen Europas G20-Mitglieder auch deshalb am kommendenWochenende zum Weltwirtschaftsgipfel nach Toronto, weil zwischenausgabefreudigen Schuldenmachern und den vermeintlichen Vorkämpfern derHaushaltssanierung ein tiefer Graben verläuft.

Unter dem Wortführer Frankreich fordert die südlichen EU-Länder vorallem von Deutschland, die Binnennachfrage anzukurbeln, ob mit höherenGehältern, niedrigeren Steuern oder mehr Staatsausgaben. DieExportnation sei zu sehr auf den Kampf gegen Inflation undüberschuldete Staatshaushalte fixiert - das mache die Bemühungenzunichte, die Konjunktur wieder auf Trab zu bringen. Auch US-PräsidentBarack Obama fordert, globale Ungleichgewichte müssten abgebaut werden,die Konjunktur müsse notfalls mit neuen Staatsschulden gestützt werden.

Auch bei den Finanzmarktreformen ist Europa mit seinen Hausaufgabenin Verzug. Bei den neuen Regeln für Hedge-Fonds beispielsweise gibt esStreit mit dem Europaparlament. Beim neuen Aufsichtssystem widersetzensich Großbritannien und Deutschland, es ist das typische europäischeGezerre ums Kleingedruckte. Und zu Risikogeschäften mit Wertpapierenliegen noch nicht einmal Gesetzestexte vor. Eine Bankenabgabe "sollten"alle EU-Mitglieder in irgendeiner Form einführen, lautete dann auch dieschwammige Formulierung beim EU-Gipfel vergangene Woche.

Nichts gewesen außer Spesen und glanzvollen Auftritten auf Kanadasroten Teppichen? Das mag man angesichts von rekordverdächtigenGipfelkosten von etwa 870 Millionen Euro nicht hoffen - auch wennfraglich ist, ob es angesichts der Wirtschaftskrise nicht auch etwasbescheidener ging. Europa bleibt der größte Binnenmarkt der Welt, demkünstliche Handelsschranken oder Wechselkurse, Steuerparadiese oderunkontrollierte Finanzmarktzocker nicht egal sein sollten - wer auchimmer für die EU das Wort ergreift.

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