Fritz Walter: Der ungekrönte König vom Betzenberg

Porträt: „Wir sind wieder wer“, heißt es nach dem sensationellen WM-Sieg ’54. Der Spielmacher wird zum Nationalhelden.

Altkanzler Gerhard Schröder schämte sich seiner Tränen nicht, als er den Film "Die Helden von Bern" sah. Wir, die Generation nach diesen Helden, die das Glück hatte, von fußballbegeisterten Vätern gezeugt worden zu sein, hat die Geschichte immer wieder gehört. Die Geschichte jenes verregneten 4.Juli 1954 im Wankdorf-Stadion zu Bern: "Schäfer, nach innen geflankt. Kopfball. Abgewehrt. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Rahn schießt - Tor, Tor, Tor!" Die Radio-Stimme von Herbert Zimmermann zu den bewegenden Bildern des neuen Mediums, des Fernsehens. "Aus, aus, aus - das Spiel ist aus! Deutschland ist Fußball-Weltmeister!" Immer und immer wieder.

Die Aufstellung von Bern sitzt wie das Vaterunser. Turek im Tor, Posipal und Kohlmeyer in der Verteidigung, die Läufer Eckel, Liebrich und Mai, im Sturm Rahn, Morlock, Ottmar Walter, Fritz Walter und Schäfer. Keiner von uns wird sie jemals vergessen. Die Prämien, die 1954 vergeben wurden, waren Kostbarkeiten jener Aufbaujahre: Porzellanfiguren, Goggomobile, Nähmaschinen, Kühlschränke. Die Helden von Bern, elf freundliche Biedermänner, waren hinterher Kinopächter, Tankwarte und Sektvertreter. Und doch blieben sie Helden. Für immer.

Fritz Walter, der geniale Regisseur, hat den 1. FC Kaiserslautern nie verlassen - trotz verlockender Angebote aus Madrid und Nancy. "Dehäm iss dehäm", pflegte dieser Fritz Walter zu sagen. Und blieb auf dem Betzenberg, in dem Stadion, das heute seinen Namen trägt. Als er aus Bern zurückkam, schenkten sie ihm "dehäm" einen Bauplatz, eine Urkunde ehrte den Ehrenspielführer der Nationalmannschaft als "populärsten Bürger der Stadt". Seine Ehefrau Italia nannte er "Schätzchen", 53Jahren waren sie verheiratet.

"Die Werte, die Fritz Walter verkörperte, gibt es heute nicht mehr", sagt Franz Beckenbauer. "Das Spiel von Bern", sagte Rundfunkreporter Rudi Michel, den Walter zu seinen engsten Freunden zählte, "war eine Art Befreiung der Deutschen von all dem, was auf ihnen lastete". Walter gehörte auf einmal, neben den Politikern Konrad Adenauer und Ludwig Erhard, zu den Gründungsvätern der Republik. Dabei war Fritz Walter nur einer der begnadetsten Spieler, die der Fußball jemals hervorbrachte.

Seine Karriere begann Anfang der 20er Jahre, der kleine Fritz ging in Kaiserslautern zum besseren FCK, weil seine Mutter ein Paar Fußballschuhe für ihren Sohn verlangte, die der benachbarte Arbeiterklub VfR Kaiserslautern nicht bieten konnte.

In der Saison 1938/39 spielte Walter in der Bezirksliga, im Juli 1940 war er beim 9:3 über Rumänien erstmals in der Nationalmannschaft dabei und wurde gleich zur spielbestimmenden Persönlichkeit, schoss drei Tore. Sepp Herberger vernarrte sich früh in ihn, er machte Fritz Walter zum Spielmacher, zum "ungekrönten König" seiner Generation. Und dennoch war Walter ein Anti-Star, ein Untertan, der Herberger vertraute wie ein Kind. Herberger war für Fritz Walter nur "der Chef". Vielleicht waren sie das perfekteste Gespann, das es im deutschen Fußball je gab.

Anders als bei anderen berühmten Menschen musste in den Nachrufen auf Fritz Walter, als er am 17. Juni 2002 im Alter von 81 Jahren starb, "nicht gelogen werden", schreibt Hans Werner Kilz, "dazu war er einfach zu aufrichtig und zu treu".

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