Köln Friedensmarsch von Muslimen: „Terroristen haben keine Religion“

Einige tausend Menschen haben mitgemacht beim „Marsch von Muslimen und Freunden gegen Gewalt und Terror“. Deutlich weniger als erhofft - die Absage des Dachverbands Ditib sorgt weiterhin für Ärger.

 Muslime unternahmen am Samstag einen Friedensmarsch durch die Kölner Innenstadt. Es kamen deutlich weniger als erhofft.

Muslime unternahmen am Samstag einen Friedensmarsch durch die Kölner Innenstadt. Es kamen deutlich weniger als erhofft.

Foto: Henning Kaiser

Köln. Es sind weniger als erhofft, aber ihre Botschaft ist deutlich: Muslime aus ganz Deutschland sind am Samstag durch die Innenstadt von Köln gezogen, um „Nein“ zu sagen zu islamistischem Terror. Das Vorstandsmitglied des des Liberal-Islamischen Bunds, Lamya Kaddor, hat den Friedensmarsch „Nicht mit uns - Muslime und Freunde gegen Gewalt und Terror“ in wenigen Tagen auf die Beine gestellt. 3000 bis 3500 Teilnehmern sind nach ihren Angaben gekommen. Das sind deutlich weniger als die erhofften 10 000. Dass der große Islam-Dachverband Ditib die Aktion nicht unterstützen wollte, sorgte auch am Wochenende noch für Diskussionen.

Viele Kölner applaudieren spontan, als der ungewöhnliche Demonstrationszug am Samstag mitten im Einkaufstrubel an ihnen vorbeizieht. „Terroristen haben nichts mit dem Islam zu tun. Terroristen haben keine Religion“, betont Ahmad Maher (25), der extra aus Hannover angereist ist. „Es wird oft pauschalisiert, alles in einen Topf geworfen. Deshalb ist es gut, wenn wir Muslime klarstellen, dass wir selbstverständlich für Frieden sind - auch wenn es eigentlich schon etwas traurig ist, dass wir uns dauernd rechtfertigen müssen.“

Muslime machen rund fünf Prozent der deutschen Bevölkerung aus. Und immer wieder gibt es Aufforderungen, sie sollten sich von Islamisten distanzieren. „Das ist etwas unfair. Nur, weil jemand Muslim ist, steht er ja dem Islamismus nicht nahe“, unterstreicht Student Abdullah (21) aus Dortmund. „Aber klar, wir wollen helfen, dieses Vorurteil auszuräumen, und deshalb sind wir hier.“ Kaddor betont: Nach den Attentaten in Berlin, Manchester, London und den vielen Todesopfern in der islamischen Welt sei es im „ureigensten Interesse der Muslime“, ein klares Zeichen gegen Gewalt zu setzen.

Der Zentralrat der Muslime (ZMD), die Türkische Gemeinde und auch zahlreiche Politiker hatten parteiübergreifend für eine Teilnahme geworben. Und einige von ihnen sind auch gekommen. So marschieren Seite an Seite mit Lamya Kaddor der NRW-SPD-Chef Michael Groschek oder die FDP-Politiker Joachim Stamp und Yvonne Gebauer, die wohl bald Minister in einer neuen schwarz-gelben Landesregierung werden.

Sadiqu Al-Mousllie, niedersächsischer ZMD-Landesvorsitzender, stellt unter Beifall klar: „Ich lehne es ab, dass meine Religion entführt wird“, von Extremisten und Terroristen. Und ZMD-Bundeschef Aiman Mazyek wirbt schon via Facebook für den nächsten Friedensmarsch - am 23. Juni in Berlin.

Eine Mutter beteiligt sich mit ihren drei kleinen Kindern: „Es wird Zeit, dass die Muslime lauter werden. Und ich möchte das nicht den Verbänden überlassen“, erzählt Simona Daugnoraite. „Ich erkläre meinen Kindern immer wieder, dass wir Muslime nichts mit Terroristen zu tun haben - und es ist schön, dass sie jetzt sehen, dass das hier auch viele andere Menschen so sagen.“ Und Judith aus Siegen findet: „Das Ganze geht mich auch als Nicht-Muslimin an, denn ich lebe in einem Viertel mit vielen Kulturen und Religionen.“

Das junge syrische Flüchtlings-Ehepaar Abdallah Sars und Reham Alzubi freut sich über den Friedensmarsch. „Wir sind im Dezember vor den IS-Terroristen aus Homs geflohen. Es ist für uns sehr ermutigend, dass die muslimische Community in Deutschland gegen den islamistischen Terror protestiert.“

Während Muslime und Nicht-Muslime durch die Domstadt laufen, manövriert sich die türkisch-islamische Ditib ins Abseits. Der Islam-Dachverband in Deutschland - er untersteht der türkischen Religionsbehörde in Ankara - hat eine Teilnahme abgelehnt. Muslime würden geradezu stigmatisiert durch solche Aktionen, argumentierte die Ditib. Für fastende Muslime sei eine solche Aktion im Ramadan unzumutbar.

Die Ditib-Haltung ruft bis in die Bundespolitik hinein scharfe Kritik hervor - ebenso unter den Demonstranten in Köln. So meint Rabeyya Müller, eine der wenigen weiblichen Imame in Deutschland: „Das ist doch nur eine Ausrede der Ditib. Ich faste auch und ich kann sagen: es ist zumutbar.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer findet im fernen München weitaus schärfere Worte: „Die Verweigerung großer Islamverbände und der dürftige Besuch zeigen: Viele Muslime sind sich ihrer Verantwortung, gegen den Politischen Islam und gegen den Terrorismus endlich ein Zeichen zu setzen, nicht bewusst.“

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