FDP: „Unter fünf Prozent ist unmöglich“

Kurz vor dem FDP-Bundesparteitag ist die Basis „vorsichtig optimistisch“. Doch drohe der Partei eine Gefahr: der Populismus.

Jüchen. „Häme, weil man in der FDP ist? Das war und ist immer da.“ Wer sich für die Liberalen an der Basis engagiert, der muss einstecken können. „Ich kenne schon alle Witze über die FDP, erzählt mir mal was Neues“, ist die übliche Reaktion eines anderen Parteimitglieds, wenn er auf seine Partei angesprochen wird. Seit Monaten schaffen es die Liberalen in den bundesweiten Umfragen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Und doch ist die Stimmung kurz vor dem vorgezogenen Bundesparteitag am Wochenende aufgeräumt. „Man kann sich wieder zur FDP bekennen“, sagt der Neusser Ratsherr Rainer Reimann beim Treffen des Rhein-Kreises Neuss. „Wir sind vorsichtig optimistisch“, ergänzt Cord Wellmann.

In der FDP kann der Wind schnell drehen: Das Jahr ist kaum zwei Monate alt, da hat die Regierungspartei bereits ein zerstrittenes Dreikönigstreffen, einen gescheiterten Putschversuch von Fraktionschef Rainer Brüderle gegen Parteichef Philipp Rösler, missverständliche Äußerungen aus der eigenen Partei über die asiatische Herkunft des Parteivorsitzenden und ein Umfragetief von zwei Prozent hinter sich. Aber auch einen Überraschungserfolg bei der Niedersachsenwahl, der die fast aussichtslose Position Röslers gestärkt hat. Und das macht der Basis offenbar Mut.

„Umfragen sind keine Wahlergebnisse“, schiebt Reimann die aktuellen Werte des ARD-Deutschlandtrends von vier Prozent beiseite. „Ein Ergebnis unter fünf Prozent ist bei der Bundestagswahl völlig ausgeschlossen“, pflichtet ihm der Meerbuscher Jörg Schleifer bei. Die Stimmung sei wieder gut. Die nach der Niedersachsenwahl entbrannte Debatte um „Leihstimmen“ von der CDU lassen die Liberalen in Jüchen nicht gelten. „Alle Stimmen sind allein vom Wähler geliehen“, besteht Heide Broll auf der eigenen Stärke der Partei.

Die Liberalen an der Basis sind sich einig, dass am Ende Persönlichkeiten wahlentscheidend sind. Rösler sitze derzeit fest im Sattel, sagen die meisten. Der taktische Befreiungsschlag gegen seinen internen Widersacher Rainer Brüderle sei „geschickt, geradezu genial“ gewesen, bewertet die Jüchenerin Christa Quellmann den Machtkampf an der Parteispitze. Natürlich habe der 40-jährige Rösler noch nicht das Format eines Otto Graf Lambsdorff, Hans-Dietrich Genscher oder Gerhart Baum. Das brauche Zeit.

Die meisten gehen davon aus, dass Rösler am kommenden Wochenende eine deutliche Mehrheit erhalten werde. Ganz unspektakulär. Mancher fragt sich eher, warum die Partei in dieser Lage überhaupt noch zwei Bundesparteitage binnen weniger Monate braucht. Doch bleiben auch Zweifel: „Rösler ist fachlich kompetent, aber sein Bild in der Öffentlichkeit ist eher negativ“, sagt Jan Günther, der sich bei den Jungen Liberalen engagiert. „Die Frage ist, ob er auch bei den Bürgern langfristig tragbar ist.“

Es sind die Personaldebatten, die das zerstrittene Bild der Partei in den vergangenen drei Jahren geprägt haben. „Der Drang nach Profilierung an der Spitze schadet nur“, bewertet Reimann die Machtkämpfe. „Dieser Populismus ist der falsche Weg“, analysiert Cord Wellhausen. Für ihn hat die FDP nur zwei Möglichkeiten: Sich auf der Jagd nach mehr Prozenten dem Populismus à la Brüderle hingeben und sich inhaltlich verbiegen oder sich aber als „Vernunftpartei“ mit klaren Reformplänen zu positionieren. Die Kehrseite: „Dann muss man aber auch akzeptieren, dass man ein Wählerpotenzial von kaum mehr als fünf Prozent ansprechen kann“, sagt Wellhausen.

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