FDP/CSU haben vorehelichen Krach

Die beiden Koalitionäre in spe gehen aufeinander los. Es geht um Macht und Wertvorstellungen.

Berlin. Sechs Wochen vor der Wahl zum 17. Bundestag scheinen nach den Umfragen noch so viele Regierungsbündnisse denkbar, wie seit langem nicht mehr. Angesichts des diffusen Stimmungsbildes ist es mehr als nur ein Geplänkel, wenn Union und FDP übereinander herfallen, als seien sie die geborenen Erzfeinde. "Geistige Windstille", "Partei ohne Köpfe und Konzept": Scharf hatte die CSU die FDP zuletzt attackiert.

Die liberale FDP und die wertkonservative CSU beäugen sich traditionell mit Misstrauen, weil ihre Weltbilder so komplett unterschiedlich sind: Die Christsozialen müssen ständig diesen Spagat machen zwischen Laptop und Lederhosen. Der bayerische Stammtisch in den übermächtigen erzkonservativen bayerischen Landkreisen will es so, dass die CSU im Wahlkampf immer Dirndl und Trachtenjankerl parat hat. Und die katholische Kirche will es so, dass beim Thema Gentechnik immer dieses "nur bitte nicht dem lieben Gott ins Handwerk pfuschen" mitklingt. Mit diesem Wertespektrum will die FDP nichts zu tun haben: Sie gibt sich radikal wissenschaftsgläubig und liberal. Dass sich Westerwelle nun auch öffentlich mit seinem Partner zeigt, gehört zu diesem Verständnis von Liberalität.

CSU-Chef Horst Seehofer will mit seinen Angriffen auf den Regierungspartner FDP aber auch dessen Ansprüche auf Kabinettsposten möglichst klein halten. Zugleich hat er die offene Koalitionsfrage im Auge. "Mir geht es um Klarheit. Die Menschen müssen wissen, ob sie mit einer FDP-Stimme in Wahrheit eine Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP wählen", sagte er. FDP-Chef Guido Westerwelle lehnt zwar eine Ampel ab. Aber irgendwie irritiert die Union die mehrmals wiederholte Formulierung: "Ich halte eine Ampelkoalition für ausgeschlossen." Eine Aussage, wie etwa "Ich schließe eine Ampelkoalition definitiv aus", wäre der Union sicher lieber. Westerwelle, der nun den dritten Anlauf nimmt, die Liberalen wieder an die Macht zu bringen, hält dem entgegen, die Union müsse selbst Klarheit schaffen. Sie regiere in Bund und Ländern mit der SPD und in Hamburg mit den Grünen. Besonders der CDU-Vorsitzenden Merkel unterstellen die Liberalen seit längerem mehr oder weniger offen, die Große Koalition mit der SPD fortsetzen zu wollen. Dies sei für die Kanzlerin bequem, heißt es. Denn man könne das Aussitzen unangenehmer Entscheidungen dem unwilligen Koalitionspartner SPD ankreiden.

Trotz dieses Gezänks sieht es sechs Wochen vor der Wahl eigentlich ganz gut aus für eine schwarz-gelbe Koalition. Union und FDP lagen zuletzt bei 52 Prozent. Doch solchen Umfragewerten kann man nicht trauen, wie der FDP-Chef bei der letzten Wahl lernen musste. Man stellt bei ihm eine gewisse Kurskorrektur fest: Um in der Krise die Wähler mit ihrer Sehnsucht nach sozialer Sicherheit nicht wieder mit dem Image des Neoliberalen abzuschrecken, setzt Westerwelle jetzt auch auf soziale Themen. Im "Spiegel" bekräftigte er etwa: "In den Koalitionsverhandlungen werde ich durchsetzen, dass das Schonvermögen bei Hartz-IV-Empfängern auf 750 Euro pro Lebensjahr verdreifacht wird."

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