Euro-Krise: Explosive Stimmung in Athen

Die Griechen sind empört über die Idee, ihnen einen Sparkommissar vorzusetzen. Sie haben Angst vor der Zukunft.

Athen. Für die Griechen haben Überlegungen, ihnen praktisch einen Vormund vor die Nase zu setzen, das Fass zum Überlaufen gebracht.

Die Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt immer weiter an, Armut und Zukunftsangst bestimmen zunehmend den Alltag — da hat der Vorschlag aus Berlin, eine Art „Statthalter“-Kommissar der EU in Athen einzusetzen, zu Empörung und in manchen Fällen auch zu Überreaktionen geführt.

Auch seriöse Blätter wie die Athener Sonntagszeitung „To Vima“ reagierten scharf. „Das Dokument der Schande. Merkel fordert die bedingungslose Kapitulation der griechischen Finanzen“, titelte die Zeitung.

Kommentatoren im Fernsehen sprachen von einem „Gauleiter“, den Berlin in Griechenland einsetzen wolle. Die Deutschen verlangten „volle Vormundschaft“, giftete das Athener Boulevardblatt „Ethnos“ auf seiner Internetseite.

Es gab auch nachdenklichere Stimmen. Die Politiker hätten bislang nicht erklärt, wie es sein kann, dass Reformen — wie die nötige Verschlankung des Staates — nicht vorankommen, hieß es in einem Kommentar.

Kurz vor seiner Abreise zum EU-Gipfel nach Brüssel reagierte auch der griechische Finanzminister. „Wer das Volk vor das Dilemma Finanzhilfe oder nationale Würde stellt, ignoriert historische Lehren“, erklärte Evangelos Venizelos.

„Ich bin mir sicher, dass die Führungen aller europäischer Staaten — allen voran derjenigen, die wegen ihrer Größe eine erhöhte Verantwortung für den Kurs Europas tragen — wissen, wie man die Themen zwischen Freunden und Partnern setzt, die ihre historischen Schicksale mit ihnen verbunden haben“, fügte er hinzu.

Die Stimmung in Athen wird immer bedrohlicher. Die Regierung des parteilosen Ministerpräsidenten Lucas Papademos muss Entscheidungen treffen, die auch kommende Generationen in Griechenland betreffen werden.

Auf Druck der Geldgeber sollen 150 000 Staatsbedienstete — jeder Fünfte — in den nächsten drei Jahren gehen. Der Mindestlohn soll abgeschafft werden. Das 13. und 14. Monatsgehalt im privaten Sektor sollen gestrichen, Zusatzrenten und die Ausgaben im Gesundheitsbereich gekürzt werden.

Das birgt nach Ansicht vieler Beobachter sozialen Sprengstoff. Knapp 19 Prozent der Griechen sind arbeitslos, allein in Athen gibt es 20 000 Obdachlose, 250 000 Menschen „füttert“ die Kirche durch.

Das Abwürgen der Wirtschaft im Namen der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit könnte zu einer gewaltigen sozialen Reaktion führen, sagt der griechische konservative Europaabgeordnete Theodoros Skylakakis. Die Kommunisten rufen seit Wochen zum Widerstand auf.

Im Parlament herrscht Untergangsstimmung. Die Sozialisten, bislang stärkste Partei, brechen ein. Konservative Parlamentarier schauen mit einem Auge in Richtung Neuwahlen und enthalten sich der Stimme, wenn es um Einschnitte geht.

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