Eskalation in Port Said: „Das ist Krieg, kein Fußball“

Nach dem Schock beginnt die Suche nach den Schuldigen. Die Mehrheit der Ägypter glaubt, dass die Täter politisch motiviert waren.

Kairo. Der Abpfiff des Spiels schien für die Schläger ein Startsignal zu sein. Von allen Seiten stürmten sie auf das Fußballfeld und nahmen die Verfolgung der Spieler der Gegenmannschaft auf. Die Profis des beliebten Kairoer Klubs Al-Ahli rannten um ihr Leben. Anhänger der Heimmannschaft Al-Masri in Port Said setzten mit Flaschen, Steinen und Messern nach. Die Bilanz nach dem Mittwochspiel: 71 Tote, Hunderte Verletzte.

Nach dem ersten Schock begann in Ägypten die Suche nach den Schuldigen. Die Polizei habe nichts getan, sondern einfach nur zugeschaut, lauteten die Vorwürfe von Spielern, Trainern, Fans. Diese Aktion sei von langer Hand geplant worden, zeigten sich Teammitglieder von Al-Ahli überzeugt.

Der Mannschaftsarzt wurde von der Zeitung „Al-Masry Al-Youm“ mit den Worten zitiert: „Das ist Krieg, kein Fußball.“ Diskussionen über die Hintergründe entbrannten. Al-Masri hatte doch den Gegner aus Kairo mit 3:1 geschlagen. Warum sollten gerade Fans des siegreichen Teams so wütend angreifen?

Die Muslimbruderschaft — stärkste Fraktion in Ägyptens neuem Parlament — sah Mächte am Werk, die dem Übergang des nordafrikanischen Landes in eine friedliche Demokratie schaden wollten. Es gehe um „dubiose Kräfte“, die eng mit dem früheren Regime von Präsident Husni Mubarak in Verbindung stünden, lautete ihre Erklärung.

Die Jugendbewegung hielt den regierenden Militärrat für verantwortlich. Das Motiv: Die Generäle könnten sich als Garant für Stabilität profilieren — und mit dem Versprechen eines starken Staates künftig an der Macht bleiben.

Ägypter haben lange Jahre schmerzhafte Erfahrung mit bezahlten Schlägertrupps gemacht, die regelmäßig zur Einschüchterung der Bürger eingesetzt wurden. Gerade während der Wahlen unter Mubarak wurde das Volk auf diese Art gefügig gemacht. Während der Massenproteste vor einem Jahr, die zum Sturz des Machthabers führten, bäumte sich das Regime noch einmal auf und brachte sämtliche Repressalien zum Einsatz.

Zunächst schürte es Angst: Die Polizei zog sich zurück, Häftlingen gelang ominöserweise die Massenflucht aus den Gefängnissen. Angreifer — die häufig als Polizisten in Zivil identifiziert wurden — kamen in die Wohnviertel, brandschatzten, plünderten. Schließlich stürmten bezahlte Schläger den Tahrir-Platz.

So fällt auch nach der Ära Mubarak der Verdacht bei Gewaltausbrüchen sofort auf engagierte Banden. Das war nach den tödlichen Ausschreitungen zwischen Christen und Muslimen im Oktober in Kairo der Fall und auch bei den jüngsten Krawallen auf dem Tahrir-Platz.

Tatsache ist aber auch, dass die Polizei nicht mehr so massiv in der Öffentlichkeit präsent ist und Kriminelle das immer wieder ausnutzen. Organisierte Gewalt, die nicht vom Staat ausgeübt wird, ist ein neues Phänomen. Allein in den vergangenen Tagen gab es mehrere spektakuläre Banküberfälle in der Hauptstadt.

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