Eine Frau sieht Rot-Rot-Grün

Vor zwei Jahren scheiterte Andrea Ypsilanti beim Versuch, hessische Ministerpräsidentin zu werden. Jetzt versucht sie ein politisches Comeback.

Wiesbaden. Die Frau polarisiert. Für Wohlmeinende ist sie das Gesicht der linken SPD, für ihre Kritiker ideologisch verstockt und lernunfähig. Selbst als Andrea Ypsilanti erstmals nach langer Zeit wieder die öffentliche Bühne betritt, ist das mediale Echo noch immer so, als wäre sie nie weg gewesen. In Berlin stellte Ypsilanti das Institut Solidarische Moderne vor, eine Art linke Denkfabrik mit dem Ziel, "dem neoliberalen Projekt Schwarz-Gelb etwas entgegenzusetzen". An ihrer Seite: Politiker von Grünen und Linkspartei. Ein rot-rot-grünes Projekt, ausgerechnet.

Rot-Rot-Grün ist das Schicksal der Andrea Ypsilanti, spätestens seit der hessischen Landtagswahl vor rund zwei Jahren. Nach den ersten Prognosen war Ypsilanti Ministerpräsidentin, doch nach Auszählung aller Stimmen war klar, dass sie das nur mit Hilfe der Linkspartei werden konnte. Der Haken: Genau das hatte sie vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen. Ypsilanti hatte die Wahl: Machtverzicht oder moralische Bankrotterklärung vor dem Wähler? Sie wählte die Macht, scheiterte aber auf ebenso tragische wie legendäre Weise.

Der Blick auf diese Vergangenheit fällt Andrea Ypsilanti schwer. "Das ist doch alles so alt", weicht die 52-Jährige der Frage nach persönlichen Konsequenzen aus dem Debakel von 2008 aus, an dessen Ende sie nicht nur moralisch diskreditiert war, sondern auch politisch tot.

Doch das Beispiel Ypsilanti beweist, dass selbst politisch Tote weiter Politik machen können. Zwar legte sie nach dem Desaster für ihre Partei bei der vorgezogenen Landtagswahl ein Jahr später den Partei- und Fraktionsvorsitz nieder und verschwand aus der ersten Reihe der SPD, blieb jedoch Landtagsabgeordnete in Hessen. Mit den Schwerpunkten erneuerbare Energien, Bildung und Familienpolitik, von Gerhard Schröder einst als "Gedöns" bezeichnet.

Sie hat sich zurückgenommen, gezwungenermaßen. Auch wenn sie selbst betont, dass "es viele Batterien aufzuladen gab". Die freie Zeit habe sie genutzt, "um mit anderen Menschen intensive und lange Gespräche über Politik zu führen". Ihre parlamentarische Leistungsbilanz seit Januar 2009 ist freilich mager: Landtagsreden? Fehlanzeige. Parlamentarische Initiativen? Keine. Lust auf Politik sieht anders aus. Das gibt sie selbst zu: "Meine politische Leidenschaft ist damit nicht völlig ausgefüllt."

Trotz ihres persönlichen Absturzes ist Andrea Ypsilanti bis heute von keiner ihrer Positionen abgerückt. "Von meinen politischen Inhalten habe ich nichts zurückzunehmen", sagt sie. Was würde sie anders machen? "Ich würde mich nicht mehr so von den Medien treiben lassen." Die öffentliche Empörung über die Aufgabe ihres Wahlversprechens, nicht mit der Linken zu paktieren, kann sie auch zwei Jahre später nicht nachvollziehen: "Ein nicht haltbares Versprechen ist keine Lüge", sagte sie der Wochenzeitung "Die Zeit". Sie sei schließlich wegen ihres Programms gewählt worden, nicht wegen einer Koalitionsaussage. Im Verhältnis zur Linkspartei gelte es daher, "künstliche Abgrenzungen zu überwinden. Dafür gibt es zu viele Schnittmengen".

Andrea Ypsilanti hofft, dass ihre Denkfabrik dabei hilft, die Gemeinsamkeiten im linken Lager zu vergrößern. Schon aus Eigeninteresse: Denn nur wenn Rot-Rot-Grün irgendwann gesellschaftsfähig sein sollte, hat auch Andrea Ypsilanti wieder eine Chance, politisch salonfähig zu werden. "Man kann nicht nach so einer herben Niederlage wie Phoenix aus der Asche aufsteigen", sagt Ypsilanti über den aktuellen Zustand der SPD. Das hat sie selbst erfahren müssen.

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