Ein Thriller aus dem wahren Leben

Eine Agentin tarnte sich als Journalistin, einer ihrer Kollegen arbeitete in einem renommierten Institut.

Washington. Nach der Verhaftung zehn mutmaßlicher russischer Spione in den USA droht dem Verhältnis zwischen Washington und Moskau eine neue Eiszeit. Während die Enttarnung vom früheren Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes als "Lachnummer" bezeichnet wurde, sprechen ranghohe US-Diplomaten von einem "bedeutenden Rückschlag" für den von den USA und Russland anvisierten Neubeginn.

Die Abläufe lesen sich wie ein Krimi. Verdächtige setzten sich auf eine Parkbank oder gingen in ein Café, eine Buchhandlung oder an einen anderen unauffälligen Ort und richteten über ihre Laptops innerhalb weniger Minuten ein drahtloses Nahbereichsnetzwerk ein.

Bald danach schloss sich ein anderer Computer, der entweder einem Mitarbeiter der russischen Botschaft in Washington oder des Konsulats in New York gehörte, dem Netzwerk an. Ohne also mit den Spionen ein Wort zu wechseln, erhielten die Auftraggeber Informationen, die an das "Moskau Center", den russischen Auslandsgeheimdienst, weitergegeben wurden.

So ging es etwa um US-Präsident Barack Obamas Reise nach Moskau im Frühjahr 2009. Im Vorfeld des Besuchs wollte das "Moskau Center" unter anderem Einzelheiten über die US-Haltung zum iranischen Nuklearprogramm erhalten. Ein anderes Mal soll einer der Spione auf einem Forschungsseminar einen ranghohen Regierungsmitarbeiter über US-Programme zur Entwicklung moderner nuklearer Sprengköpfe gelöchert haben.

Unklar bleibt aber, inwieweit die Spione tatsächlich Informationen erhielten, die US-Interessen gefährden könnten. Schließlich sollen sie seit der Amtszeit von Ex-Präsident Bill Clinton aktiv gewesen sein. "Wäre dabei wirklich Wichtiges rausgekommen", so der Ex-Geheimdienstler Tim Reynolds, dann hätte das FBI "den Agenten viel früher das Handwerk gelegt". Die Fahndungsaktion lief unter dem Namen "Illegalenprogramm".

Ihre Kontakte hatten die Spione vorwiegend durch Jobs bei "Nicht-Regierungsorganisationen", Denkfabriken und Forschungsinstituten, die eng mit den führenden Ministerien arbeiten.

Mikhail Semenko, der in seinem Haus im Washingtoner Vorort Arlington verhaftet wurde, arbeitete für das angesehene ökonomische Institut "Conference Board", dessen Studien über Verbrauchertrends von der Notenbank als wichtiger Indikator für die Zinspolitik verwendet werden.

Die angeklagte Vicky Pelaez war Reporterin für eine spanischsprachige Zeitung in New York und soll ihre Beziehungen als akkreditierte Journalistin ausgenutzt haben, um an vertrauliche Informationen zu kommen.

Die Spione, die bis zuletzt keine Ahnung hatten, dass sie seit Jahren beschattet wurden, gingen den Fahndern ins Netz, als am Wochenende in New York und Washington zwei getarnte FBI-Agenten sich bei Treffen mit den Verdächtigen als russische Geheimdienstmitarbeiter ausgaben. Bei der versuchten Geldübergabe klickten dann die Handschellen.

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