Flüchtlingsgipfel Ein Krisemarathon mit Teilerfolg

Der schwarz-rote Flüchtlingsgipfel scheitert - die Union findet aber einen gemeinsamen Nenner.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel verlässt nach dem Flüchtlingsgipfel das Bundeskanzleramt.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel verlässt nach dem Flüchtlingsgipfel das Bundeskanzleramt.

Foto: Soeren Stache

Berlin. Es ist bereits dunkel über dem Kanzleramt, als den Spitzen der Union doch noch ein Licht aufgeht, ein Durchbruch gelingt. Danach hatte es anfänglich nicht ausgesehen, zumal der mit Spannung erwartete Gipfel der großen Koalition aus Union und SPD am Morgen so geendet war, wie er begonnen hatte - in der Krise. Doch am Sonntagabend entschärfen zumindest Kanzlerin Angela Merkel und Horst Seehofer ihren vehementen Streit um den richtigen Weg in der Flüchtlingspolitik. Wenigstens etwas.

Danach sah es freilich lange nicht aus. Schon am Samstagabend, als sich die Unionsspitze bei Merkel im Kanzleramt versammelt hat, soll es alles andere als friedlich zugegangen sein. Fast fünf Stunden debattiert man die Lage. Seehofer fordert seit Wochen einen restriktiveren Kurs in der Flüchtlingspolitik, ein Signal der Kanzlerin, dass man die Obergrenze bei der Aufnahme von Menschen erreicht hat. Die bayerischen Kommunen sitzen dem Ministerpräsidenten im Nacken. Doch Merkel will das nicht, es entspricht nicht ihrer Politik. Seehofer hat ihr sogar ein Ultimatum gestellt, das am Sonntag ablief. Aber Merkel erklärt unbeirrt ihr Vorgehen zur Bekämpfung der Fluchtursachen. Sie ist zwar genervt von den Attacken des Bajuwaren, das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und Seehofer ist extrem belastet. Doch erpressen lassen will sie sich nicht. Es heißt, zwischen beiden knirscht es gewaltig.

Noch etwas kommt hinzu, was Seehofer die Laune verdirbt: Die Führungsspitze der SPD hat zuvor im Willy-Brandt-Haus getagt. Herausgekommen ist dabei, dass man nicht nur die Begrenzung des Familiennachzugs als verfassungswidrig zurückweist. Auch die von der CSU geforderten, grenznahen Transitzonen lehnen die Sozialdemokraten "als riesige Haftzonen" ab. Sie halten sie für nicht umsetzbar. Die Genossen erhöhen stattdessen den Druck auf ihren Koalitionspartner mit einer eigenen Idee: Sie schlagen vor, dezentrale Registrierungs- und Einreisezentren innerhalb Deutschland einzurichten. Seehofer geht das jedoch nicht weit genug, er lässt dies Gabriel am Sonntag beim Spitzentreffen wissen. Der Bayer steht mächtig unter Druck nach seinen Attacken gegen Merkel. Als der SPD-Chef nach zwei Stunden das Kanzleramt mit verkniffener Miene verlässt, ist klar, dass Union und SPD keine Einigung erzielt haben. Regierungssprecher Steffen Seibert gibt ein kurze Meldung heraus: Man werde sich am kommenden Donnerstag vor der Ministerpräsidentenkonferenz wieder treffen. "Es gibt eine Vielzahl von inhaltlichen Gemeinsamkeiten und einige noch zu klärende beziehungsweise offene Punkte. Dazu gehört auch das Thema Transitzonen", so Seibert. Wer zwischen den Zeilen liest, der hat jetzt endgültig Gewissheit: Der schwarz-rote Gipfel ist gescheitert.

Kaum ist Gabriel davon gefahren, eilt Unionsfraktionschef Volker Kauder ins Kanzleramt. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt kommt wenige Minuten später zu Fuß, wehrt Fragen mit dem Satz ab: "Wir sind noch in Gesprächen." Bei der Union weiß man - jetzt geht es ums Ganze. Auch dieses Krisentreffen dauert mehrere Stunden, bis am Abend dann doch weißer Rauch aufsteigt. Man einigt sich auf ein umfangreiches Positionspapier in der Hoffnung, dass damit alle Beteiligt ihr Gesicht wahren können. Darin werden die Transitzonen als "vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze" bezeichnet. Für eine bestimmte Gruppe von Flüchtlingen will die Union den Familiennachzug für einen Zeitraum von zwei Jahren aussetzen. Wie viele Flüchtlinge dies betrifft, bleibt offen. Doch es gibt ein Problem für die Unionsseite - es heißt nach wie vor SPD. Wie sie überzeugt werden soll, verrät (noch) keiner.

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